Morgendaemmerung der Liebe
hatte, wurde Jessica erst richtig klar, dass sie in der Situation gefangen war, und nicht nur wegen Mark. Sie wollte Jakes Frau sein, das war schon immer ihr Traum gewesen. Doch nicht so, ohne Liebe. Als sie vor sechs Jahren fortgerannt war, hatte sie sich geschworen, nie einen Mann zu heiraten, der sie nicht liebte. Aber genau das würde sie jetzt tun.
Tränen schnürten ihr die Kehle zu, ihr ganzer Körper begehrte gepeinigt auf. Sie war vierundzwanzig, Herrgott, keine achtzehn mehr! Vielleicht konnte sie dieser Ehe nicht ausweichen, aber auf jeden Fall musste sie es schaffen, Jake ihre wahren Gefühle für ihn nicht zu verraten.
„Es gibt da ein kleines außergewöhnliches Geschäft, das vielleicht etwas Passendes hat. Ich selbst habe zwar noch nie dort eingekauft, aber im Schaufenster stellen sie wunderschöne Sachen aus. Die junge Frau, der es gehört, schneidert vieles selbst, und sie hat sich auf Abendgarderobe und Brautkleider spezialisiert.“
Jessica unterdrückte den Seufzer, während sie mit ihrer Mutter durch die engen Gassen Yorks bummelte. Selbst das Schicksal schien sich gegen sie verschworen zu haben. Als sie gestern von dem Treffen mit dem Vikar zurückgekommen waren, hatte Beth angerufen, und ihre Mutter hatte sofort die freudige Nachricht verbreitet.
Beths begeisterter Jubel war sogar durchs Telefon zu hören gewesen. Natürlich hatte sie Jessica gescholten, weil diese sie nicht in das Geheimnis eingeweiht hatte. Und ja, selbstverständlich würden sie und Richard bei der Hochzeit anwesend sein.
„Zu schade, dass Sarah noch nicht älter ist. Sonst könnte sie dein Blumenmädchen sein.“
„Es wird keine pompöse Hochzeit werden, Beth“, hatte Jessica berichtigt, ohne sich von Beths Einwänden erweichen zu lassen.
Jetzt warf sie ihrer Mutter einen Seitenblick zu. „Ich suche aber nicht nach traditioneller Brautmode, Mum.“
„Das weiß ich doch, Liebes. Aber es kann doch nicht schaden, sich anzusehen, was es hier alles im Geschäft gibt, oder? Außerdem brauchst du etwas zum Anziehen für heute Abend.“
An die Feier des Firmenpersonals mit Dinner und Tanz wollte Jessica gar nicht erinnert werden. Wie sollte sie nur die Rolle der liebenden Verlobten spielen? Wie sollte sie das durchstehen?
Jessica überließ es ihrer Mutter, Meredith, der Inhaberin, zu erklären, was sie sich vorstellte – und bereute es zutiefst, als die zierliche Blondine dann mehrere verspielte Kreationen in Satin und Spitze präsentierte.
„Mum, so etwas will ich nicht.“
„Unsinn“, wischte ihre Mutter den Einwand unbeeindruckt beiseite. „Ich weiß, wie du dich fühlst, Jessica, ich habe damals auch sehr schlicht geheiratet. Und es später unzählige Male bereut.“
„Diese Kleider kosten ein kleines Vermögen“, wandte Jessica flüsternd ein, als Meredith sich abwandte. „Das kann ich mir gar nicht leisten.“
Margaret lächelte triumphierend. „Das ist überhaupt kein Problem. Mark möchte das Hochzeitskleid für dich kaufen.“ Sie sah Jessicas ablehnenden Gesichtsausdruck. „Bitte, Liebes“, flehte sie. „Es bedeutet ihm so viel. Er liebt dich wie eine eigene Tochter, das weißt du doch.“
Jessica spürte, wie sie bereits schwach wurde, als sie den feinen Stoff des traumhaft schönen Kleides zwischen den Fingern rieb.
„Probieren Sie es ruhig an“, ermunterte Meredith sie. „Dieses hier habe ich nicht selbst gemacht, aber es hat Ihre Größe. Wenn es nicht genau passt, werde ich es gerne für Sie ändern. Das geht ganz schnell, keine Sorge.“
Jessica schlüpfte nur widerwillig in das Kleid. Es saß perfekt, wie für sie geschneidert. Als sie aus der Umkleidekabine trat, erstarb alle Ablehnung in ihr, während sie das Gesicht ihrer Mutter aufleuchten sah. Margaret war hingerissen, und Jessica hatte nicht das Herz, sie zu enttäuschen.
Und auch die Wahl des Abendkleides war ein großer Erfolg.
„Ich habe da genau das Richtige für Sie“, sagte Meredith, verschwand kurz im hinteren Teil des Ladens und tauchte mit einem Cocktailkleid über dem Arm wieder auf, bei dem Jessica der Atem stockte.
Es war kobaltblau, über und über bestickt mit kleinen schwarzen Perlen und geschnitten im Stil der Kleider lateinamerikanischer Tänzerinnen.
Als Jessica eine entsprechende Bemerkung machte, lächelte Meredith wissend.
„Ja, der Schnitt stammt aus Südamerika. Diese Kleider sind unglaublich weiblich, nicht wahr? Ich denke, die Wirkung wird überwältigend sein.“
Jessica strich über
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