Morgendaemmerung der Liebe
Möglichkeit dazu verbaut hatte. Seit dem Tag, als sie weggegangen war, hatte sie ihn immer auf Abstand gehalten. Es war ihr undenkbar erschienen, dass er sie so sehr lieben könnte wie sie ihn.
Jessica stand auf und begann, im Raum auf und ab zu laufen, versuchte verzweifelt, Ordnung in ihre Gedanken zu bringen.
Wieso sollte es so undenkbar sein, dass er sie liebte? Früher hatte sie doch an seine Liebe geglaubt. Aber er war ihr nie nachgelaufen, hatte nie versucht, sie zurückzuholen.
Vielleicht, weil er geglaubt hatte, sie sei zu jung für eine feste Bindung. Wanda hatte das erwähnt. Aber … wenn Jake sie liebte, dann wäre er jetzt bei ihr, nicht allein auf der Piste.
Jessica wanderte rastlos hin und her, schwankend zwischen Hoffnung und Angst. Wandas Besuch hatte sie so durcheinandergebracht, dass sie nicht mehr wusste, welche Bedeutung diese neue Erkenntnis haben konnte. Jake war kein Teenager mehr. Er hätte ihr sagen können, was er für sie empfand.
Aber er hatte es ihr gesagt, damals, und sie hatte ihn abgewiesen. Hatte ihm seine Liebeserklärung vor die Füße geschleudert und behauptet, sie sei mehr an einer Karriere in London interessiert.
Das jähe Schrillen des Telefons ließ sie zusammenzucken. Sekundenlang starrte sie den Apparat nur an, bevor sie den Hörer abhob. Ihre Nerven waren zum Zerrreißen gespannt, während sie darauf wartete, Jakes Stimme zu hören.
Als sie ihre Mutter am anderen Ende vernahm, hielt sie sofort die Sorge gefangen.
„Ist etwas mit Mark?“, brachte sie bebend hervor, doch sofort erlöste Margarets Antwort sie von allen Ängsten.
„Ja, ich rufe tatsächlich wegen Mark an“, sagte ihre Mutter fröhlich, „aber mit guten Nachrichten. Kurz vor eurer Hochzeit musste er noch zu einem Untersuchungstermin. Wir haben euch nichts davon gesagt, um euch nicht zu beunruhigen. Jetzt liegen endlich die Ergebnisse vor. Und die Ärzte sind zuversichtlich, dass er gute Chancen hat, bald wieder ein völlig normales Leben zu führen.“
„Wo ist Jake?“, fragte ihre Mutter, nachdem Jessica ihr gesagt hatte, wie sehr sie sich darüber freue.
„Beim Skifahren.“ Jessica hielt ihren Ton bewusst unbeschwert.
„Wirklich?“ Man konnte Margarets Schmunzeln durch das Telefon hören. „Dann hat Mark wohl die Wette verloren. Er hat nämlich mit seinem Sohn gewettet, dass Jake sich keine fünf Minuten von dir trennen würde, nach all der Zeit, die er auf dich warten musste. Der arme Jake, er ist wegen seiner Liebe zu dir jahrelang von seinem Vater geneckt worden. Ich weiß nicht, was damals zwischen euch beiden falsch gelaufen ist. Ich habe gespürt, dass das Thema tabu ist. Aber ich bin froh, dass ihr wieder zueinandergefunden habt.“
„Du wusstest schon damals von Jake und mir? Woher?“
„Nun, es war offensichtlich, wie du Jake angehimmelt hast. Und wir wussten, dass Jake sich eine feste Beziehung mit dir wünschte. Er rief uns damals im Urlaub an und erzählte von eurer geplanten Verlobung. Ich muss gestehen, Mark und ich waren beide ein wenig besorgt. Wir fanden dich noch zu jung. Aber Jake hat uns überzeugt. Dann kamen wir zurück, und du warst verschwunden. Der arme Jake. Eine Weile glaubte ich wirklich, er würde nie darüber hinwegkommen. Und Mark war bis vor Kurzem noch der Meinung, Jake würde niemals heiraten.“
„Bis er ankündigte, seine zukünftige Braut zu Weihnachten mit nach Hause zu bringen“, warf Jessica ein.
„Nein, nicht unbedingt. Das war ein Witz zwischen Jake und seinem Vater, der sich jedes Weihnachten wiederholte. Jake behauptete regelmäßig, er werde sich zu Weihnachten verloben. Damit wollte er uns wissen lassen, dass sich an seinen Gefühlen nichts geändert hatte. Nein, Jakes Anruf, dass er dich mitbringen würde, ließ Mark hoffen. Mark war sicher, dass du endlich nach Hause zurückkommen würdest – nicht nur als Jakes Stiefschwester.“
„Er hat sich aber nichts anmerken lassen“, murmelte Jessica.
„Natürlich nicht, er wollte Jake nicht in Verlegenheit bringen. Du darfst nicht vergessen, wie sehr es einen Mann wie Jake verletzen muss, wenn die Frau, die er liebt, ihn sitzen lässt. Er tat mir wirklich leid, als du weggingst.“
„Ich dachte, er wollte mich nur heiraten, um die beiden Erbteile seines Vaters wieder zusammenzufügen.“
Margaret war ehrlich schockiert. „Liebes, wie kannst du nur so etwas denken! Und inzwischen musst du doch wissen, dass Jake von seiner Mutter ein Vermögen geerbt hat. So viel Geld kann Mark
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