Morgendaemmerung der Liebe
ihm niemals hinterlassen. Ich bin froh, dass sich doch noch alles zum Guten gewendet hat. Mark und ich sind wirklich glücklich darüber. Ehrlich gesagt, vor sechs Jahren warst du noch nicht reif für eine Ehe. Aber jetzt kannst du Jake eine ebenbürtige Partnerin sein. Jake ist inzwischen klar geworden, dass Frauen auch ihren Freiraum brauchen.“
Jessica plauderte noch eine Weile mit ihrer Mutter. Als sie den Hörer auflegte, brach bereits die Dunkelheit herein.
Jessica starrte nachdenklich nach draußen und verfolgte, wie die Dämmerung sich über das Tal legte. Es musste stimmen. Ihre Mutter würde sie nie belügen, und auch Jake war den Eltern gegenüber immer ehrlich.
Jake liebte sie.
Jessica ließ sich die Worte durch den Kopf gehen, immer und immer wieder. Sie versuchte, den vollen Sinn, das Ausmaß zu begreifen. Etwas in ihr öffnete sich, erblühte wie eine Knospe zu prächtigem, glanzvollem Leben.
Wieder klingelte das Telefon. Automatisch griff Jessica nach dem Hörer.
„Ich bin’s, Wanda. Ich fürchte, ich muss uns für heute Abend entschuldigen. Gavin ist in Innsbruck aufgehalten worden. Jetzt fahre ich zu ihm. Ich hoffe, dass wir uns noch einmal treffen, bevor ihr abfahrt.“
Jessicas feindseliges Gefühl Wanda gegenüber war verschwunden. Sie fühlte sich euphorisch, ihr schwindelte vor Freude. Jake liebte sie. Plötzlich hatte sich ihr Leben von Grund auf verändert. Die Vorstellung, Jake könnte sie lieben, war ihr so fremd und unmöglich erschienen, dass sie in jeder seiner Äußerungen nur Spott und gleichgültige Grausamkeit gehört hatte. Jetzt jedoch wurde ihr schlagartig klar, dass er sich nur hatte schützen wollen, genau wie sie es all die Jahre selbst getan hatte.
Wie würde er reagieren, wenn sie ihm sagte …? Eine tiefe Falte erschien auf ihrer Stirn. Sie konnte unmöglich erzählen, dass sie jetzt wusste, was er für sie empfand. Er würde es abstreiten. Sie zumindest würde das unter diesen Umständen tun. Wahrscheinlich würde er ihr nicht einmal glauben, wenn sie ihm gestand, dass sie ihn liebte. Sie waren zwar verheiratet, aber sie hatte ihn seit dem Tag ihrer Verlobung nicht vergessen lassen, dass er sie zu dieser Heirat gezwungen hatte.
Sie überlegte noch, was sie jetzt tun könnte, als Jake ins Chalet trat.
„Entschuldige, dass ich so spät komme“, meinte er knapp. „Ich habe mich noch mit einem der Skilehrer unterhalten. Sie versuchen, für eine gerade eröffnete Loipe eine Gruppe zusammenzustellen, die diese Strecke abläuft.“
„Meinst du, für mich wäre es zu anstrengend?“ Jessica hatte völlig vergessen, in welcher Stimmung sie auseinandergegangen waren. Am liebsten hätte sie die Arme um ihn geschlungen und ihn angefleht, ihr zu verzeihen. Doch ein Blick in sein Gesicht ließ diese Seifenblase zerplatzen.
„Du übertreibst“, spottete er. „Meinetwegen brauchst du nicht die begeisterte Ehefrau zu spielen. Du hast deutlich gemacht, was du fühlst. Ich gehe nach oben und dusche, damit wir zum Dinner gehen können.“
„Das fällt aus. Wanda und ihr Mann können nicht kommen. Schon ein Zufall, nicht wahr, dass ihr euch nach all der Zeit hier wiedertrefft?“
Er suchte in ihrem Gesicht nach den Anzeichen von Angriffslust. Doch als er ihre freundliche Miene sah, antwortete er lässig: „Ja. Wir kamen mit mehreren Freunden vor sechs Jahren her. Damals hatte das Hotel gerade erst eröffnet. Seither habe ich sie nicht mehr gesehen.“
„Sie sind in diesem Winter nur hier, weil ihr Mann etwas Geschäftliches zu erledigen hat.“
„Wann hat sie dir das gesagt?“ Jake musterte sie scharf, und Jessicas Wangen begannen zu brennen.
„Sie hat mich am Nachmittag besucht. Wir hatten ein längeres Gespräch.“ Vielleicht war das die richtige Einleitung. Mit angehaltenem Atem wartete Jessica darauf, dass Jake fragen würde, über was sie sich unterhalten hatten.
Doch er zuckte nur die Schultern. „Macht es dir etwas aus, wenn ich zuerst dusche?“
Entmutigt schüttelte Jessica den Kopf. Jake war längst oben im Bad, als das Telefon erneut klingelte. Der Hotelservice fragte nach, ob sie das Dinner im Speisesaal einnehmen wollten oder ob man es ihnen ins Chalet bringen solle. Jessica entschied, dass sie mit Jake unter vier Augen sprechen wollte. Außerdem war der Kühlschrank gefüllt mit lauter guten Sachen … So lehnte Jessica beides ab. Sie würde selbst eine Mahlzeit zubereiten.
Langsam begann sich ein Plan in ihrem Kopf zu formen. Jake ließ seine
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