Morgendaemmerung der Liebe
vielsagenden Lächeln, als er ihre Reaktion beobachtete. Ihre Miene sagte mehr als tausend Worte. „Na also! Ich wusste doch, du würdest gern ein wenig Gesellschaft haben.“
„Ausgerechnet deine Exfreundin?“ Vorsicht, Jessica! Erneut musste sie sich ermahnen, als sie sah, wie er die Stirn runzelte. „Ich meine, Wanda und ich hatten nie viele Gemeinsamkeiten“, beeilte sie sich zu sagen. „Und für ihren Mann und mich ist es eher langweilig, eure Erinnerungen anhören zu müssen. Ich hoffe nur, er ist nicht der eifersüchtige Typ.“
„Es gibt nichts, worauf er eifersüchtig sein müsste.“ Jake blieb völlig ungerührt. „Ich weiß nicht, worauf du da anspielst … Wanda und ich waren nie mehr als Freunde.“
Jessica biss die Zähne zusammen, um ihn nicht laut heraus einen Lügner zu nennen.
„Möchtest du, dass wir eine Nachricht am Empfang hinterlassen und die Verabredung absagen?“
Nichts lieber als das! Doch das wollte sie nicht zugeben. Also zuckte sie nur mit den Schultern. „Nein, spar dir die Mühe. Wahrscheinlich ist es besser, als den Abend allein im Chalet zu verbringen.“
Bei ihren Worten huschte ein Schatten über sein Gesicht. Dann wurde seine Miene hart und ausdruckslos wie eine Maske. Bei einem anderen Mann hätte Jessica gesagt, er sei verletzt. Aber schließlich war es der unnahbare Jake, der hier vor ihr saß.
„Wie du wünschst.“ Sogar seine Stimme klang hart. „Ich möchte natürlich nicht, dass du dich langweilst. Wir könnten immer noch …“
Jetzt würde er sie daran erinnern, dass sie sich gestern Nacht in seinen Armen keineswegs gelangweilt hatte! Diese Peinlichkeit würde sie nicht ertragen! Panisch kam sie ihm zuvor.
„Wir können schließlich nicht die ganze Zeit im Bett verbringen.“
„Da stimme ich dir zu“, konterte er scharf. „Denn das wäre tatsächlich langweilig. Allerdings wollte ich nur vorschlagen, dass wir auch den Tag getrennt verbringen können, wenn dir meine Gesellschaft so unangenehm ist.“
„Das ist eine gute Idee.“ War sie komplett verrückt geworden? Das war doch das Letzte, was sie wollte! Aber Jake kam dieser Vorschlag offensichtlich sehr entgegen. „Schließlich bin ich auch keine fantastische Skifahrerin. Du müsstest dich meinetwegen nur einschränken. Da kannst du viel mehr Spaß mit Wanda haben.“
Warum, um alles in der Welt, hatte sie diese letzte Bemerkung noch hinzufügen müssen? Sie stand viel zu abrupt auf und warf fast ihren Stuhl um. Jake war sofort bei ihr und nahm ihren Arm. Dabei murmelte er an ihrem Ohr: „Du unterschätzt dich, Jessica.“
Sie wollte nichts mehr hören. Stattdessen eilte sie ins Foyer und überließ es Jake, die Rechnung zu begleichen. Bei der edlen Eingangstür mit ihren polierten Messingbeschlägen hatte er sie eingeholt.
„Und wo willst du jetzt hin?“, fragte er sie mit gerunzelter Stirn.
„Ins Dorf“, fauchte sie. „Um mir etwas zu lesen zu besorgen. Dabei brauche ich deine Gesellschaft nicht, also kannst du dich ruhig amüsieren gehen.“
Wiederum befreite sie sich wütend aus seinem Griff. Aus seinem fragenden Stirnrunzeln war eindeutiger Ärger geworden, das verriet seine Miene. Ihre eigene Wut verpuffte. Jetzt fühlte sie sich nur noch elend und bedrückt, vor allem, als er sie stehen ließ, auf dem Absatz kehrtmachte und zu den Pisten davonging.
Die Lust, ins Dorf zu gehen, war Jessica vergangen. Sie kehrte zum Chalet zurück, warf einige Scheite in das schwelende Feuer, rollte sich auf dem Sessel vor dem Kamin zusammen und starrte trübe in die Flammen.
Als es an der Tür klingelte, sprang sie auf und eilte durchs Zimmer, in der Hoffnung, es sei Jake. Doch nicht Jake stand auf der Schwelle, sondern Wanda. Sie wirkte nervös und verlegen.
„Jake sagte mir, du seiest ins Dorf gegangen, aber ich habe hier Licht gesehen. Kann ich mit dir reden, Jessica?“
„Worüber?“, fragte Jessica steif. „Etwa über deine Affäre mit meinem Mann? Hast du Angst, ich könnte dieses Verhältnis vor deinem Mann ausplaudern?“ Es erstaunte sie, dass Wanda rot wurde.
„Hör zu, Jessica“, Wanda klang angespannt, „darüber wollte ich mit dir sprechen.“ Sie kaute an ihrer Lippe und sah über ihre Schulter. Es hatte zu schneien begonnen, und Jessica war es zu kalt, um weiter in der offenen Tür zu stehen.
„Du kommst wohl besser herein“, gab sie unwillig nach.
„Danke.“ Wanda folgte Jessica in den Wohnraum und setzte sich, als Jessica sich in dem Sessel niederließ.
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