Morgendaemmerung der Liebe
nebenbei hatte er jederzeit Frauen wie Wanda haben können, die ihm das gaben, was er bei Jessica vermisste …
Ein jäher Schauer erfasste Jessica, sie wandte sich vom Fenster ab. Ihre Gedanken schlugen eine gefährliche Richtung ein. Sie musste die Vergangenheit hinter sich lassen. Vor allem, wenn er morgen hier ankommen sollte, zusammen mit seiner neuen Freundin. Würde sie die Kraft haben, ihm gegenüberzutreten?
Als ob sie eine Wahl hätte! Wenn sie jetzt abfuhr, würde Beth misstrauisch werden. Und schließlich hatte sie nichts zu befürchten. Niemand in der Familie wusste von dem kurzen Monat voller Liebe und Hingabe, den er ihr geschenkt hatte, bevor sein Betrug ihn einholte. Nein, nur sie und Jake erinnerten sich an die Abende in seiner Wohnung, wenn sie in seinen Armen lag und er ihr immer wieder sagte, wie ungeduldig er darauf gewartet habe, dass sie endlich erwachsen werden und ihn als Mann, nicht nur als Stiefbruder ansehen würde …
Es wurde dunkel. Wie lange stand sie schon hier? Jessica sah auf ihre Armbanduhr. Fast eine Stunde. Beth würde sich fragen, was sie hier oben trieb.
Nun, zumindest waren ihr ein paar Stunden vergönnt gewesen, um sich vorzubereiten. Sie warf einen Blick zum Koffer auf dem Bett und ließ die Schlösser aufschnappen. Sie hatte nur einen kurzen Zwischenstopp in London gemacht, um zu duschen und für das Wochenende zu packen, und war dann sofort nach Bristol weitergefahren.
In New York hatte sie zuvor die wenige Freizeit genutzt, um einkaufen zu gehen. Für Beth hatte sie einen wunderschönen Pullover erstanden und für ihre Patentochter eine entzückende Stoffpuppe.
Mit automatischen Handgriffen packte Jessica ihren Koffer aus. Das Kleid von Calvin Klein hatte sie eigentlich nur aus einer Laune heraus eingepackt. Auf dem Bügel sah es wenig beeindruckend aus, doch am Körper schmiegte sich die lavendelfarbene Seide wie eine zweite Haut um ihre Figur, und die Farbe hatte den Ton ihrer Augen. Das Kleid sexy zu nennen, war sicher nicht übertrieben. Sie wollte es morgen Abend anziehen, beschloss sie. Wie es auch immer um ihre Gefühle bestellt sein mochte, Jake sollte auf Anhieb erkennen, dass es die frühere, weltfremde Jessica nicht mehr gab.
Während sie das Kleid auf den Bügel hängte, dachte sie darüber nach, wie praktisch es war, flirten zu können, ohne sich auf mehr einzulassen. Das hatte sie in den vergangenen Jahren gelernt. So wie sie ihre Cousine kannte, hatte Beth bestimmt einen Partner für sie beim Dinner eingeladen. Sie würde diesem Mann eine anregende Tischpartnerin sein …
Sie hörte Beths Stimme vor ihrer Tür und setzte eine gefasste Miene auf, bevor sie öffnete. „Sarah ist wach.“ Beth stand mit einem blonden, blauäugigen Baby vor der Tür und hielt Jessica die Kleine hin.
„Himmel, ist sie groß geworden!“
Nach einer langen und gründlichen Begrüßung ließ Sarah ihr entzückendes zahnloses Lächeln sehen.
„Es ist Zeit für ihr Bad.“ Beth betrachtete den makellosen Aufzug ihrer Cousine und sah an ihren eigenen abgewetzten Jeans hinab. „Tut mir leid, dass ich eine so schlechte Gastgeberin bin. Wenn du schon mal hinuntergehen und warten willst …“
„Viel lieber möchte ich dir dabei helfen, sie zu baden.“ Jessica fuhr leicht mit einem Finger über die weiche Babywange. „Schließlich ist sie mein Patenkind. Da fällt mir ein, ich habe ein kleines Geschenk für sie aus New York mitgebracht.“ Sie verbannte Jake entschieden aus ihren Gedanken und nahm Beth das Baby ab. „Na dann los, junge Dame“, sagte sie zu dem kleinen Mädchen. „Es wird Zeit, dass wir beide uns besser kennenlernen.“
2. KAPITEL
„Jessica, du bist ein Engel!“ Beth bewunderte das Blumenarrangement, das Jessica gerade auf den Esstisch stellte. „Mit einem Baby bleibt einem kaum Zeit, sich um die vielen Details zu kümmern. Richard wird sich wahrscheinlich auf das Essen stürzen, wenn er sieht, was zum Dinner serviert wird. Mehr als einfache Gerichte bringe ich nie zustande. Ich bin dir so dankbar für alles, was du getan hast, aber ich habe ein fürchterlich schlechtes Gewissen. Du solltest dich hier doch entspannen.“
„Mir hat’s Spaß gemacht.“ Das meinte Jessica ernst. „Es ist lange her, dass ich mich in der Küche austoben konnte.“
„Natürlich, ich hatte vergessen, dass deine Mutter dir das Kochen beigebracht hat. Kein Wunder, dass du so gut bist.“
„Nicht schlecht, aber ohne Leidenschaft“, tat Jessica das Kompliment mit
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