Morgenrötes Krieger
Konflikt auch erreichte. Sollte ein Ler es dennoch wagen, würden ihn die anderen auf der Stelle lynchen. Nur für diesen einen Fall kam bei ihnen die Todesstrafe zur Anwendung.
Diese Art der Strafe wendeten sie nicht nur gegen sich an, sondern gegen jeden, der Schuß- oder Projektilwaffen benutzte; und da die Durchführung einer solchen Bestrafung gleichbedeutend mit totaler Vernichtung war, kamen nur wenige ungeschoren davon. Gegen interplanetarische Angriffe hatten sie ein perfektes Verteidigungssystem entwickelt. Man versuche nur einmal einen Ler-Planeten zu bombardieren: Sogleich würden sie eine Vorrichtung zum Einsatz bringen, die die Sonne des Angreifers in eine Supernova verwandelt. Dann verfolgten sie dessen Raumschiffe und vernichteten sie im Nahkampf. Sollte jemand lebend ihren Planetenboden erreichen, so würde er einer Menge gegenüberstehen, die keinerlei Hemmungen mehr kennt. Sie würden nicht ruhen noch rasten, bis sie die gesamte Invasionstruppe buchstäblich in Stücke zerrissen hätten.
Als Gegenleistung für Hans Flugunterricht bot Liszendir an, ihm einige Grundgriffe und Bewegungsabläufe beizubringen, damit er – wie sie es ausdrückte – in der Lage sei, „in brenzligen Situationen allein bestehen zu können“. Es zeigte sich nach einigen ersten Versuchen, daß er mit der körperlichen Motorik die gleichen Schwierigkeiten hatte wie Liszendir mit ihrem technischen Verständnis. Wohl lernte er bereitwillig alles, was sie ihm zeigte, spürte danach jedoch noch tagelang jeden einzelnen Muskel. Zudem war der enge Körperkontakt mehr als sie beide zugeben mochten – ein ständiger Anlaß gegenseitiger Irritation.
„Liszendir, trainieren bei euch in der Schule Jungen und Mädchen zusammen?“
„Natürlich. Es gibt kaum Geschlechtertrennung“, antwortete sie amüsiert.
„Na gut, aber werden sie durch den engen körperlichen Kontakt nicht stimuliert?“
„Sicherlich. Sie trainieren in der Grundstufe, das heißt die ersten sechs Jahre, völlig nackt. Sie erlernen die Anfänge, indem sie das Spiel der Muskeln genau beobachten und fühlen. Und wenn sie nicht anders können, dann gehen sie eben kurz mal um die Ecke oder in die Büsche, um sich zu befriedigen – warum denn nicht? Auch ihr Menschen räumt euren Studenten Zeiten ein, wo sie ihren Bedürfnissen nachgehen können. Das gleiche tun wir. In weiter fortgeschrittenen Trainingsstufen jedoch lernen und üben wir Selbstkontrolle.“
Nach einigen Versuchen, Han ein paar Feinheiten dieser Art beizubringen, gab sie mit der Begründung auf, daß er ein hoffnungsloser Fall sei. Als sie es sagte, mußte sie jedoch lachen, denn er hatte es eigentlich besser gemacht, als sie beide es sich vorgestellt hatten.
In der Zwischenzeit kontrollierte Han die Instrumente und kündigte das nahe Ende ihrer Reise an. Die Sonne, zu deren Planetensystem Chalcedon gehörte, rückte in greifbare Nähe. Bald würden sie wieder Boden unter den Füßen haben und aus eigener Anschauung sehen können, was es mit den „Kriegern der Morgenröte“ auf sich hatte.
Als sie ihr letztes gemeinsames Mahl vor der Landung beendet hatten, fragte Liszendir: „Kann man Chalcedons Sonne auf dem Bildschirm sehen?“
„Natürlich. Schon seit unserem Start. Hier! Ich werd’s dir zeigen.“ Er drückte einen kleinen Knopf auf der Schalttafel. Sogleich erschienen zwei hauchdünne Linien auf dem Sichtgerät – beide so fein wie das feinste Haar. Der Bildschirm vermittelte den optischen Eindruck, als seien die silbrigen Linien im Raum selbst. In ihrem Schnittpunkt befand sich ein einzelner Stern, der näher als all die anderen Millionen Punkte zu sein schien.
„Sie ist noch zu weit weg, um als Kugel sichtbar zu werden; aber dennoch – das ist sie. Bevor wir nah genug heran sind, werden wir den Überraum verlassen haben.“
„Kann man Chalcedon auch schon sehen?“
„Nicht unter den jetzigen Bedingungen. Erst bei einer gewissen Winkelgröße wird er sichtbar. Deshalb ist der Hintergrund auch schwarz. Wir müssen näher herankommen und uns im Normalraum bewegen.“
Liszendir wurde schweigsam und starrte fasziniert auf den Bildschirm. Ler-Raumschiffe waren trotz ihrer raffinierten Antriebssysteme eher primitiv zu nennen, was die Ortungs- und optische Wiedergabetechnik anbelangte. Auf ihrer Koordinatenmatrix, die sie benutzten, konnte man nichts weiter sehen; im Normalraum blickten Crew und Passagiere durch abenteuerlich dicke Quarzscheiben, die optisch völlig plan
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