Morgenrötes Krieger
– und ich muß sicher sein, daß du ve r stehst, was ich tue. Ich weiß gefühlsmäßig, daß wir be o bachtet werden, solange wir zusammen sind.“ Eine schmerzliche Disharmonie: der Klang der Worte, ihr Rhythmus, ihre Tonfülle, all das trug in sich die ewig gleiche Botschaft der Liebe seit Anbeginn der Zeiten. Doch die Worte selbst durchbohrten ihn wie eisige Pfei l spitzen, die aus einem warmen, feuchten Nebel hera n schwirrten. Sie glitzerten wie geschliffene Diamanten. Er konnte nicht sagen, ob dieser Effekt rein subjektiv, bloß eingebildet, oder von ihr so beabsichtigt war. Es verwir r te und ängstigte ihn. Die sanfte Stimme mit den harten Worten sprach weiter, ohne dabei seinen schwachen A b wehrbewegungen Beachtung zu schenken.
„Unterstelle mir bitte keine Rassenloyalität! Dir, meiner Körper-Liebe, verdanke ich mehr als irgendeinem dieser Affen, trotz aller Ähnlichkeit der Hände. Eine Hand ist nur so gut wie das, was sie hält und wozu sie gebraucht wird ob sie nun zwei oder nur einen Daumen hat oder gar keinen, falls es solche Hände gibt. Wir haben keine andere Möglichkeit, wir müssen mit ihm gehen! Du hast heute abend völlig richtig gehandelt. In Leilas ist nur Öde, Schmutz und Aberglaube. Ich will erst von uns beiden sprechen. Dann wirst du alles verstehen, was ich tue – und zwar in seiner ganzen Bedeutung. Bedenke, daß dein Volk nur zwei Worte hat, um das auszudrücken, was zwischen uns beiden gewesen ist: Liebe und Sex. In der Single-Sprache haben wir fast vierhundert Wörter, um die verschiedenen Formen von Liebe und Begierde au s zudrücken ; jedes Wort hat über hundert Reimwörter! Li e be, Haß – sie haben nicht mehr Bedeutung wie Schwarz und Weiß, doch das Universum ist erfüllt mit tausend und abertausend Grautönen dazu einem ganzen Spektrum von Farben. Nun gut. Was mich betrifft, so besteht zw i schen uns beiden so etwas wie das, was wir hodh nennen. Man kann es nicht übersetzen. Es symbolisiert tiefe Em o tionen die weit über reinen Sex und egoistischen Lustg e winn hinausgehen. Ich habe mich dir nicht aus fleischl i cher Schwäche hingegeben. Ich bin darin geübt, mich dem ersten zu versagen und den zweiten total zu verge s sen. Es wird sich nichts zwischen uns ändern.“
Der Ton ihrer Stimme war lieblich, hypnotisch, lasziv. Aber die Worte! Han hatte das Gefühl, als wäre er im Bann einer Meisterhexe, die mit der Wirklichkeit nach Belieben verfahren konnte – allein durch Worte! Worte, so wild und brennend wie Feuer, scharf wie Schwerter und Dolche. Er stöhnte.
„Ich verstehe. Du wirst den Widerspruch und die Zwänge gar nicht wahrnehmen; du wirst das hören, was meine Haut dir sagt, den Klang der Stimme und die Wo r te. Du wirst nicht viel davon aufnehmen können; es wü r de deinen Geist nur verwirren. Du hast Glück, daß ich nicht die Multi-Sprache benutze; es ginge schneller, falls du sie verstehen könntest. Selbst für uns ist dies schwer, und hier hat die Multi-Sprache ihre Wurzeln. Wir nennen es perdeskris – Doppelsprache. Nun hör zu!
Hatha kam mir von Anfang an nicht geheuer vor, aber ich zögerte und tat nichts – es ist zum großen Teil meine eigene Schuld. Du weißt ja inzwischen, warum wir die Gen-Variation durch den klanh – die Webe – auf eine breitere Basis stellen mußten. Um zu verhindern, daß das System chaotisch wird: Mutationen, Mißgestaltungen, was weiß ich nicht alles – diese Entwicklung, das Evol u tionsprogramm, läuft schneller ab als bei euch. Erinnere dich nur, wie wir gemacht wurden. Deshalb wird dieses Ungeheuer beide – Menschen und Ler – mit seinem Plan vernichten: die ersteren durch Unterjochung, die letzteren durch Ignoranz. Wir müssen ihn unter allen Umständen daran hindern. Morgenröte muß isoliert werden. Um das alles zu schaffen, müssen wir einander vertrauen können und eng zusammenarbeiten.
Und noch eins: Hatha weiß anscheinend nicht, daß Aving den Planeten verlassen hat. Behalte es für dich; er wird eine Entschuldigung parat haben, und Hatha wird ihm zum jetzigen Zeitpunkt glauben. Wir wissen beide, daß Aving kein Ler ist. Er sieht nur so aus. Mag sein, daß er sich gut maskiert hat. Er lauscht völlig hingegeben jener Musik, von der er selbst meint, daß ihr weder Mensch noch Ler zu folgen vermag. Du hast es ja ges e hen! Er war recht sorglos mit seinem Namen – wah r scheinlich ist es sogar sein echter Name. Er endet auf ng, was in der Single-Sprache völlig unmöglich ist. Wir mü s sen auch
Weitere Kostenlose Bücher