Morgenroetes Krieger
Gastgebers.
Liszendir blickte zu ihm auf, ihre Augen schleuderten Blitze: „Ich kann mir nicht vorstellen, was wir noch mi t einander zu besprechen hätten.“
„Nein?“ Seine Heiterkeit schien echt zu sein, gemischt mit einem Anflug des Erstaunens. „Ach …! Aber da w ä re eine Menge, eine ganze Menge, in der Tat! Doch ich bin meiner Pflicht als Gastgeber nicht nachgekommen. Darf ich meinen Freund hier vorstellen? Aving ist sein Name. Und mein eigener, der richtige, den auch ihr b e nutzen solltet – keine Titel, bitte –, ist Hatha.“ Mit den Augenwinkeln sah Han, wie es Liszendir einen Ruck gab, als sie hörte, daß Aving der richtige Name des Ler war. Aving! Natürlich! Kein Wort oder Name endete in der Single-Sprache auf zwei Konsonanten: ng. Selbst hier nicht auf Morgenröte, wo Single-Sprache die einzige Verständigungsbasis war und sowohl von den Kriegern als auch von den Menschen benutzt wurde. Dies hatten sie damals im Umgang mit der Bauernfamilie in der Fe l senschlucht und den Leuten aus Leilas herausbekommen. Jetzt wurde es ihm klar, und er begriff, daß auch Lisze n dir darauf gekommen war. Aber was steckte dahinter? In einer Sprache, die keinerlei Ausnahmen zuließ, strahlte diese eine wie eine Leuchtreklame, die die Ursache selbst im dunkeln ließ. Hatha-Hath’ingar hatte nichts bemerkt und fuhr ungerührt fort : „ … Aving lebt hier, um ein A u ge auf die Leute zu haben, die hier und um Leilas leben. Die Burg hindert die Einheimischen, ihre Nase in Dinge zu stecken, die über ihren Horizont gehen; so kommen sie erst gar nicht in Versuchung. Als ihr Leilas erreichtet, wußte Aving schon lange vorher, wo ihr zu finden wart und informierte mich. Ich kam mit eurem Schiff – ich hoffe, ihr habt nichts dagegen – vom Land der Krieger herübergeflogen, und ich muß sagen, es ist ein hübsches und williges Gerät, so wie ein leidenschaftliches Mä d chen in der Reife. Warum ihr heraufgekommen seid, geht mich nichts an, aber nun, da ihr hier seid …“
Han wollte so tun, als habe er die Bemerkung über die reifen Mädchen überhört, aber dennoch konnte er ein leichtes Zucken seines Gesichtes nicht verhindern. Natü r lich! Genau das war es, was Hatha mit seiner Bemerkung erreichen wollte.
„Ah ja. Ich verstehe. Mir wird klar, daß ihr auf eurem langen Weg eine interessante Liaison eingegangen seid – wohl schon seit geraumer Zeit. Woher ich das weiß? Nun, weil ich Körpersprache lesen kann. Han, die dein i ge offenbart sich jedem, der ein einigermaßen guter Ke n ner im Lesen dieser Sprache ist. Bitte, ich brauche keine laute Zustimmung, wo doch selbst Liszendir bei ihrem intensiven Training nichts verheimlichen kann. Auch ihre Körpersprache erzählt mir weit mehr – sogar die klei n sten Einzelheiten, selbst in dieser stummen Form.“ Han drehte sich zu ihr um. Er kannte die Gesten, die Art und Weise, in der Menschen sich mitteilten, aber er war kein Kenner der Gestensprache – höchstens auf einem sehr niedrigen Niveau. Was fühlte Liszendir nun wirklich?
Sie antwortete Hatha kalt und ohne Erregung : „ Ich g e be es zu, aber es ist mein eigenes Problem, das ich allein nach unseren Regeln lösen werde – wenn die Zeit dafür gekommen ist.“
„Pah, wir haben nichts mehr zu schaffen mit den krankhaften Zwängen der Vierergemeinschaft. Wir haben diese bäuerliche Flickschusterei über den Haufen gewo r fen und an ihre Stelle ein wahrhaft edles Konzept gesetzt, eines, das dem tatsächlichen entwicklungsgemäßen St a tus und den Ansprüchen unseres Volkes gerecht wird. Also, Liszendir, brauchst du Spielzeug für deinen Kö r per? Dann nimm es dir. Es ist dein gutes Recht. Und wenn du damit fertig bist, so wirf es in die Kiste oder – wenn du Mitleid hast – gib es nach Gebrauch den Armen. Ist mir egal. Ich bin im Ältestenstadium; weder neide noch verüble ich dir die simplen Genüsse, zumal ich Be s seres habe: das Gefühl der Macht!“
Han unterbrach: „Wir können das Problem der Spie l zeuge ein andermal diskutieren, aber du bist im Irrtum, wenn du noch immer an den Unsinn vom Übermenschen glaubst. Hatha, es ist schon längst erwiesen, daß die Ler nicht hyperanthropoi, sondern alloanthropoi sind, nicht Übermenschen, sondern Menschen, die lediglich anders sind.“
„Wir werden es sehen, wenn es soweit ist.“
Liszendir fragte gezielt: „Was hast du mit uns vor, jetzt, wo du uns wieder mal erwischt hast?“
„Eine gute Frage, und du sollst darauf auch eine gute
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