Morgenroetes Krieger
glauben, daß Ler hier oben l e ben, aber wenn sie trotz allem so verrückt sein sollten, dann doch wohl kaum in einem solchen Verlies wie di e sem hier“, bemerkte Han zu Liszendir gewandt, als sie sich in jenem kalten Raum wuschen, den einer der Diener – ein Mensch – für sie hergerichtet hatte.
„Es ist mir auch ziemlich unerklärlich, aber nach dem, was wir unterwegs gesehen haben, halte ich nichts mehr für unmöglich. Brrr!“ Sie fröstelte und bekam am ganzen Körper Gänsehaut, bis Han sie kräftig abrieb. Dann fuhr sie fort: „Aber warum eine Festung? Man baut eine so l che Anlage doch nur, um einen Angriff abzuwehren. Aber wer sollte sie angreifen? Gegen die Krieger ist sie völlig nutzlos; außerdem ist sie zu klein, falls viele Leute darin Schutz suchen.“ Han konnte ihre Fragen nicht b e antworten.
Nach dem Waschen waren sie völlig ausgekühlt. Han machte sich auf die Suche, bis er einige rauhe Decken gefunden hatte. Dann legten sie sich zusammen auf ein hartes, schmales Bett, das unter ihrem Körpergewicht ächzte und stöhnte, und schmiegten sich, wärmend und sich gegenseitig in den Armen haltend, eng aneinander. Bald zeigten sich die Auswirkungen der Anstrengungen des Tages, und ohne es recht zu merken, versanken sie, von ihrer Körperwärme eingelullt, in einen leichten Schlummer.
Sie wußten nicht, wie lange sie geschlafen hatten, als sie nach einiger Zeit erwachten und von einem Hausho f meister mit boshaftem Gesichtsausdruck durch die hal b geöffnete Tür die Mitteilung erhielten, daß es dem Lord von Aving Hold eine Freude wäre, mit ihnen gemeinsam zu Abend zu speisen. Er sprach in einem Tonfall, dessen Zynismus Han durch Mark und Bein ging-
Ohne ein Wort standen sie auf, kleideten sich an und folgten dem Haushofmeister, der mit gebührendem R e spekt vor der Tür gewartet hatte. Er führte sie durch ein Labyrinth von Gängen und Türen, zugigen Wandelha l len, Verbindungszimmern, Wendeltreppen und Durchlä s sen. Ab und zu durchquerten sie Räume und Hallen, die mit Licht, Stimmengewirr und allerlei Volk belebt waren, dann wieder solche, die so aussahen, als wenn sie schon seit langem nicht mehr benutzt worden seien; halboffene Türen, hinter denen man – schwach erhellt vom flacker n d en Licht einer vorangetragenen Öllampe – düstere Räume erkennen konnte, vollgestopft mit verstaubten Stapeln und allerlei Plunder. Auf Han machte der ganze Ort einen unheimlichen, totenähnlichen und gefahrvollen Eindruck – vielleicht war es der gefährlichste Ort, den sie je auf ihrer ganzen Reise betreten hatten. Wenn Liszendir das gleiche Gefühl hatte, so ließ sie es sich jedenfalls weder in Worten noch Gesten anmerken. Sie ging völlig auf in den vielfältigen Eindrücken, die ihr die Burg ve r mittelte. Nach einem schier endlosen Weg erreichten sie schließlich eine große Halle. Sie war geschmückt und erleuchtet mit dem vordergründigen Prunk von Festlic h keit, doch Han flüsterte Liszendir zu, dies alles sei g e nauso schäbig wie der Rest der Burg auch, und er hoffe nur, daß wenigstens das Essen ein bißchen besser sei. Sie lächelte schwach und nickte.
Man ließ sie an einem großen achteckigen Tisch Platz nehmen, auf dem ein reichverziertes Gedeck lag. Zusät z lich zu den Kerzen und Fackeln brannte im Kamin an der Stirnseite der Halle ein gewaltiges Feuer, während sich auf der gegenüberliegenden Seite eine Art Bühne befand, die anscheinend für Musiker und Unterhaltungskünstler vorgesehen war. Einige der Diener waren dort gerade mit großer Hast und Eile damit beschäftigt , Stühle und and e re Gegenstände zurechtzurücken, zu säubern und herz u richten. Zu ihrem sichtbaren Mißvergnügen wurden sie in ihren Aktivitäten durch die Ankunft einer Musikergruppe unterbrochen, deren Mitglieder Instrumente bei sich tr u gen, die Han noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Es waren ohne Ausnahme Saiteninstrumente in schönen, handgearbeiteten Formen; ihre Bögen waren jedoch komplizierte mechanische Apparate, welche von Batter i en betrieben, die Bogenbespannung bewegten. Die Mus i ker nahmen in einer anscheinend schon vorher bestim m ten Ordnung Platz, setzten ihre Bögen in Gang und b e gannen ohne Einleitung oder einen Dirigenten zu spielen. Dennoch schien das Zusammenspiel ohne viel Mühe zu klappen. Die Motoren in den Griffen der Bögen gaben ein feines, sirrendes Geräusch von sich, das – so mer k würdig es vielleicht auch anmuten mochte – ausgezeic h net zu
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