Morgenstadt - wie wir morgen leben
zu versorgen. Ideal sind halbtransparente Solarzellen, die den Pflanzen nicht das Licht zum Wachsen nehmen.
Potenzial wäre da, auch in Deutschland: Hierzulande gibt es rund 1200 Millionen Quadratmeter Flachdächer. Auf rund einem Viertel der Fläche könnten Kräuter- und Gemüse gedeihen. Diese Pflanzen würden dann in Städten jährlich etwa 28 Millionen Tonnen CO 2 binden. Das entspricht 80 Prozent der CO 2 -Emissionen von industriellen Betrieben in Deutschland. 72
FRISCHES GEMÜSE FÜR DA LAT, VIETNAM
Tatsächlich soll auf der Dachfläche des Fraunhofer-inHaus-Zentrums in Duisburg ein inFARMING-Anwendungslabor mit einer Fläche von etwa 300 Quadratmetern eingerichtet und betrieben werden. Hier wollen Forscher die Technologien für das gesamte System entwickeln und erproben. In größerem Maßstab Anwendung finden sollen sie dann in einem Projekt, das das UMSICHT derzeit gemeinsam mit Partnern aus Deutschland und Vietnam plant. Dieses fernöstliche Land hat ein hohes Bevölkerungswachstum; ein großer Anteil der Bürger lebt in Städten – mit steigender Tendenz. Seit dem Vietnamkrieg sind immer noch viele Ackerbauflächen durch den damaligen Einsatz von Agent Orange mit Dioxin verseucht. So bietet sich urban farming als sinnvolle Lösung an.
In der Stadt Da Lat im südlichen Teil des zentralen vietnamesischen Berglandes, 300 Kilometer nordöstlich von Ho-Chi-Minh-Stadt, soll das Projekt aufgebaut werden.Die Provinzhauptstadt verfügt über eine Universität und mehrere Forschungsinstitute. Gemüseanbau, Blumenzucht und Tourismus sind wichtige Wirtschaftszweige, und so gibt es schon eine passende Infrastruktur.
Das Gewächshaus soll auf einem bereits bestehenden Gebäude entstehen; es muss leicht sein, gleichzeitig aber stabil, damit es auch den tropischen Wirbelstürmen trotzen kann. Unter den realen Bedingungen vor Ort werden die Forscher dann untersuchen, wie die Wasserkreisläufe gestaltet sein müssen, wie die Sensorik und automatische Steuerung aussehen muss, welche Pflanzen sich besonders gut eignen, welche Nährstoffe und welches Licht sie bevorzugen und wie die nötige Energie aus nachhaltigen Quellen aufgebracht werden kann. Die einschlägigen Institute der Universitäten in Ho-Chi-Minh-Stadt und Hanoi sind an den Arbeiten ebenfalls beteiligt. Am Ende werden alle Erkenntnisse ausgewertet und dokumentiert, damit man aus den hier gewonnenen Erfahrungen lernen kann.
FLEISCH WIRD ZUM LUXUS
Pflanzen lassen sich also auch in Städten kultivieren. Wie aber sieht es mit Tieren aus? Werden auch die Bewohner der Morgenstadt Würstchen und Steaks nach Belieben verzehren können? Schon heute zeichnet sich eine Fleischknappheit ab: In aufstrebenden Staaten wie China oder Brasilien nimmt der Fleischverbrauch dramatisch zu. Seit 1961 ist der Verzehr von rotem Fleisch weltweit auf das Vierfache angestiegen, der von Geflügelfleisch hat sich sogar verzehnfacht. Noch gibt es starke regionale Ungleichgewichte: Ein Europäer isst im Durchschnitt 20-mal so viel Fleisch wie ein Inder. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO erwartet, dass sich aufgrund des zunehmenden Wohlstands die globale Fleischproduktion bis 2050 verdoppeln wird.
Laut unterschiedlich optimistischer UN-Prognosen wird die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 auf 9,2 bis 11,9 Milliarden anwachsen. Und alle wollen ernährt sein. Quelle: UN
Dr. Peter Eisner vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV hat sich mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Seine Überlegungen gehen von dem großen Aufwand aus, der für die Produktion von Fleisch nötig ist. „Um ein Kilogramm davon zu erzeugen, werden sieben bis 16 Kilogramm Getreide oder Sojabohnen als Tierfutter verbraucht, hat Worldwatch errechnet“, berichtet er. „Das hat dazu geführt, dass in den USA rund 80 Prozent des Getreides an Nutztiere verfüttert werden. Wenn das Wachstum ungebremst so weitergeht, würde etwa im Jahr 2022 die gesamte global verfügbare Ackerfläche nur noch der Futtermittelproduktion dienen.“
Verschärft wird die Lage noch durch die Konkurrenz mit Energiepflanzen. Je teurer das Erdöl wird, desto mehr rücken Pflanzen in den Fokus, aus denen sich beispielsweise Bioethanol herstellen lässt. Auch dies verringert die Ackerflächen, die für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung stehen. Als 2007 in Mexiko der Preis von Maismehl für Tortillas dramatisch anstieg, weil die USA große Teile der mexikanischen Maisernte
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