Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)
ein Gefühl für das Haus«, sagt Sol und nimmt meine Hand, um mich bei ihm einzuhaken. Wir gehen auf eine Wand zu, die sich sofort für uns öffnet und ehe ich mich versehe, stehen wir in einem Raum, der eine atemberaubend schöne Poollandschaft mit kleinen Inseln voller Palmen und Blumen und hier und da ein paar sprudelnden Quellen, beherbergt. Am Rand stehen Liegen aus Rattan und die Wände zeigen einen tropischen Wald.
»Göttin«, zische ich ehrfürchtig vor Erstaunen und sehe mich um.
»Mich wirst du meistens hier finden«, sagt Sol. »Während den zwei Tagen, die du bei Mutter verbringst, müssen auch wir hier im Haus bleiben.«
»Und wo schlaft ihr?«, frage ich vollkommen unschuldig, doch Sol scheint meine Frage zu amüsieren, denn er grinst verschmitzt.
»Unsere Schlafgemächer findest du genau wie jeden anderen Raum hier.«
»Ich wollte nicht …«, will ich mich rechtfertigen, doch gebe geschlagen auf, als ich in Sols amüsierte Augen sehe. Ich muss ihn ablenken. »Ihr müsst also schlafen? Ich dachte nur, weil ihr Götter seid und so weiter.«
»Meine Brüder und ich sind nur Halbgötter und ja, hin und wieder müssen wir uns erholen.«
Ich nicke und sehe zum Pool.
»Möchtest du schwimmen, Maya?«
»Sehr gerne«, raune ich freudig.
»Dann teste gleich mal, was ich dir zu dem Haus berichtet habe und geh dich umziehen«, sagt Sol und zieht das gelbe Achselshirt aus. Er trägt eine kurze Hose, welche ihm wohl auch als Badehose dient.
»Wenn ich in zehn Minuten nicht zurück bin, schick bitte einen Suchtrupp hinterher«, versuche ich unsicher zu scherzen. Der Sommer lacht und geht noch ein kleines Stück mit mir in die Eingangshalle. Dort angekommen bleibe ich wie versteinert stehen, während Sol sich lässig gegen die Wand lehnt. Nevis steht am unteren Ende der Treppe und sieht zu uns herüber. Sein Gesichtsausdruck verrät nichts darüber, was er gerade denkt. Neben ihm steht ein großer, weißer Wolf. Gedankenverloren tätschelt er ihm den Kopf, bevor er seinen Blick von mir löst und ohne ein Wort zu verlieren die Treppe hinaufgeht. Staunend beobachte ich, wie sich Schnee auf den Stufen bildet und Nevis und der Wolf von weißem Nebel verschlungen werden.
»Was … wie?«, stammele ich verwirrt.
»Die Treppe führt in die Jahreszeiten«, erklärt Sol hinter mir. »Ich sollte dich noch warnen. Solltest du Nevis suchen und das Haus dich zur Treppe führen, weil er gerade mal wieder verschwunden ist, geh bitte nicht einfach dort hoch.«
Ich drehe mich zu Sol um und sehe ihn fragend an.
»Du könntest irgendwo in seiner Welt verschwinden und erfroren sein, bevor wir dich finden.«
Irgendwie kann ich mir nicht so recht vorstellen, dass Gaia mich nicht sofort finden würde. Aber wieso sollte Sol lügen?
»Eigentlich sollen wir die zwei Tage hierbleiben, aber für Nevis macht Mutter eine Ausnahme.« Die Stimme des Sommers klingt eigenartig, als er noch etwas hinzumurmelt. »Wie immer.«
»Es ist notwendig«, ertönt Gaias Stimme scheinbar aus dem Nichts. Ich sehe mich um und erkenne, wie sich auf der gegenüberliegenden Seite die Wände öffnen. Gaia tritt mit einem riesigen grün-roten Papagei auf den Schultern in die Eingangshalle. Sie bleibt vor mir stehen und sieht kurz mit einem strafenden Blick zu Sol, bevor sie sich mir zuwendet.
»Für Aviv und Jesien sind die Temperaturen in meinem Haus vollkommen in Ordnung. Sol ist es oft zu kalt, weshalb er dir sicherlich als erstes das warme Schwimmbad gezeigt hat, wo er sich die meiste Zeit aufhält.« Sie macht eine Pause und sieht zu der Treppe hoch, die jetzt ins Nichts zu führen scheint. »Meinem Jüngsten jedoch ist es hier oft zu warm. Er muss ab und an für eine halbe Stunde verschwinden.«
»Ich verstehe«, sage ich und nicke. »Was war das für ein Wolf?«
Gaia sieht zu Sol und ich folge ihrem Blick.
»Wir haben alle einen Tiergeist zur Gesellschaft«, beginnt dieser zu erklären. »Sobald du unsere Welten betrittst, wirst auch du dich mit ihnen unterhalten können. Sie sind unsere Weggefährten.«
»Die weiße Wölfin ist Nevis‘ Vertraute Iria«, sagt Gaia.
»Iria?«, frage ich erstaunt. »Wie meine beste Freundin?«
Gaia lacht glockenhell. »Wenn man es so sehen will, haben eure beiden besten Freundinnen tatsächlich den gleichen Namen.«
»Und ich kann mich wirklich mit den Tieren unterhalten?«
Gaia nickt mit gütigem Blick, ganz so wie eine Mutter, die ihr Kind beobachtet.
»Mein Tiergeist ist ein Delfin namens
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