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Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Titel: Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Wolf
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meine Haarmähne und flechte sie zu einem langen Zopf. Meine Haare sind ganz wellig, wenn ich sie offen trage und viel zu lang, so dass sie mir überall im Weg wären. Zufrieden betrachte ich mich im Spiegel und lächele die blassen Sommersprossen in meinem Gesicht an. Ich konnte heute einen guten ersten Eindruck von Sol und Jesien gewinnen. Mit Aviv habe ich zwar im Wasser kurz gesprochen, aber zu wenig, um mir eine Meinung zu bilden. Trotzdem könnte ich nicht genau sagen, wer bisher vorne liegt. Vielleicht Jesien ganz minimal? Er hat so etwas Warmes und Freundliches an sich, während Sol äußerlich natürlich konkurrenzlos ist. Wobei … wenn ich da an Nevis‘ kristallblaue Augen denke … und auch wenn Weiß nun wirklich eine sehr ungewöhnliche Haarfarbe ist, so gefällt er mir doch auch sehr. Besonders, wenn ihm die Strähnen bis tief in die Augen fallen und die Melancholie in seinem Gesicht ein wenig verschleiern.
    Bevor ich zum Abendessen gehen will, fällt mir jedoch noch etwas ein. Ich stelle mich vor die Wände. »Zeigt mir meine Mutter.« In geschwungener Schrift erscheinen die Worte Dura lex sed lex.
    Das Gesetz ist hart, aber es ist das Gesetz.
    Kein Kontakt zu meiner Welt, ich habe verstanden. Aber einen Versuch war es wert.

3. LEBEN UND TOD

    Ich schlendere durch die Flure und versuche an den Speiseraum zu denken, aber meine Gedanken flüchten sich immer wieder zum Winter und damit zu den Sorgen und Ängsten, die ich wegen der Zeit bei ihm habe. Werde ich die Woche bei ihm aushalten, wenn er weiterhin so abweisend ist? Aber ich habe mir vorgenommen wirklich die volle Zeit zu nutzen und jedem der Männer eine Woche zu geben. Immerhin entscheide ich, wo ich den Rest meines Lebens verbringe und da möchte ich mir alle Optionen ganz genau ansehen. Auch Nevis.
    Plötzlich geht neben mir die Wand auf und ein Rundbogen gibt die Sicht auf ein Zimmer frei, welches ich zunächst nicht zuordnen kann. An den Wänden hängen dieses Mal richtige Bilder von Papageien in großen Holzrahmen. Etwas kitschig für meinen Geschmack, dennoch trete ich ein und starre eines der Bilder an. Ich lege den Kopf schief und frage mich, wie die Göttin ausgerechnet auf Papageien kommt. Meine Schwestern fänden diese Information sicherlich rasend interessant und man würde den Orden mit diesen bunten Vögeln füllen. Wobei dies ein Problem darstellen könnte, da Papageien nicht in den Breitengraden der Menschen leben und man dort keinerlei Transportmittel mehr besitzt. Der Weg zu Fuß wäre wohl fast eine Lebensaufgabe. Zumal wir nicht genau wissen, wie sich die Kontinentalplatten nach Gaias Eingriff verschoben haben. Es könnte also durchaus sein, dass man ein Segelschiff bräuchte. Was wir auch nicht wissen ist, wie die Welt außerhalb unserer Grenzen aussieht. Nur Elaria und die von ihr beauftragten Grenzgänger wissen darüber Bescheid. Gedankenverloren beginne ich eins meiner Lieblingslieder zu summen und Bruchstücke daraus zu singen. Es handelt von zwei Freunden, die zu Liebenden werden. Dieser Gedanke hat mich schon immer fasziniert, besonders da ich mein Leben lang nur von Frauen umgeben war. Ein männlicher Freund blieb bisher ein Wunschtraum von mir. Vielleicht werde ich ja in einem der Jahreszeiten einen Freund finden? Das wäre wirklich wunderschön. Die Angst, hier keinen Vertrauten zu finden, schnürt mir einen Moment lang den Hals zu und ich stoppe meinen Gesang, um zu schlucken. Hinter mir räuspert sich unverhofft jemand und ich zucke zusammen. Schnell drehe ich mich um und mein Blick fällt direkt auf Nevis‘ breite Brust. Ich erkenne ihn an der Farbe seines Pullovers.
    »Oh«, entkommt mir ein verschreckter Laut und ich sehe hoch in … diese Augen. »So blau.« Nein, hab ich das gerade laut gesagt? Nevis legt den Kopf schief und sieht mich mit ernster Miene an.
    »Alles okay?«, will er wissen. Sein Atem ist eisig und prickelt auf meiner Haut. Ich kann ihn nur anstarren, bin wie eingefroren.
    »Maya?«
    »Ja?«
    »Was suchst du hier?«
    »Den Speisesaal«, antworte ich vollkommen geistesabwesend wie eine dumme Trine, die nicht bis drei zählen kann. Nevis atmet tief durch und sieht sich im Zimmer um.
    »Nun, ich schätze, da bist du hier falsch.« Seine Eiskristallaugen durchleuchten mich förmlich.
    »Meine beste Freundin heißt auch Iria«, sage ich vollkommen zusammenhangslos und Panik keimt in mir auf. Was mache ich da? Nevis wirkt jetzt ein wenig verstört.
    »Ich verstehe nicht …« Er sieht mich

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