Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)
bitten dir noch einen Tee zu machen«, seufzt die Wölfin und sieht mich entschuldigend an.
»Schon gut, zeig mir das Haus und die Küche. Dann mache ich ihn mir selbst.« Verlegen sehe ich mich um. Es hat ein wenig Ähnlichkeit mit Avivs Haus. Alles ist eher dunkel gehalten und die Möbel sind aus Holz.
»Du musst ihm verzeihen. Deine Welt in Eis gepackt zu halten ist keine leichte Aufgabe. Macht er einen Fehler und ein altes Virus taut auf, bevor es gestorben ist, könnte das böse Folgen für die Menschheit haben.« Die Wölfin macht eine Pause. »Oder der restliche, gefährliche Dreck, der bisher nicht viel Kraft verloren hat.«
Iria zeigt mir das ganze Haus und mein bequemes Gästezimmer, welches Nevis wohl neu für mich erschaffen hat, nachdem seine Mutter ihn zur Grenze gerufen hat. Darin ist ein großes, weiches Bett mit dicker Steppdecke, ein eigener Kamin und ein großes Bücherregal, samt dazugehörigem Schreibtisch. Alles in diesem Haus ist gemütlich gehalten. Das Sofa im Wohnzimmer ist einfach nur riesig und weich. Man kann sich richtig hineinfallen lassen. Iria springt herauf und rollt sich bequem zusammen. Ich setze mich mit meiner Tasse Tee vorsichtig neben sie und nehme einen Schluck. Danach stelle ich die Tasse neben den Plätzchen auf dem kleinen Holztisch vor mir ab.
»Ich freue mich so, dass du hier bist«, sagt Iria. »Ich mache mir um Nevis langsam Sorgen.«
»Er scheint nicht so sehr davon angetan zu sein, dass ich hier bin.«
»Lass dich von dem Stoffel nicht verunsichern, Maya. Er ist sehr einsam und die Rettung eures Planeten kostet ihn sehr viel Kraft. Du bringst ihn durcheinander und das kann er sich nicht leisten.«
»Ich habe mich nie getraut die anderen zu fragen, aber wo ist er denn jetzt? Auf der Erde?«
»Nein«, sagt Iria und es klingt, als würde sie lachen. »Keiner der Jahreszeiten hat die echte Erde je betreten.« Sie scheint zu überlegen, wie sie es mir erklären soll. »Nun, es gibt einen Ort, von dem aus er – wie soll ich es erklären? Ja, von dem er es irgendwie steuern kann. Es ist so eine Art Nehmen aus dieser Welt und Schicken in deine .« Sie legt den Kopf schief. »Schwer zu verstehen, oder?«
»Man sollte göttliches Handeln ohnehin nicht hinterfragen«, gluckse ich und nehme noch einen Schluck Tee. Die Tasse poltert unheimlich laut auf dem Unterteller, als ich sie wieder abstelle. Ich bin so nervös, dass es mir nicht möglich ist, elegant zu trinken. Iria beobachtet mich ganz genau, sieht aber entspannt aus.
»Wird es Nevis hier nicht zu warm sein?«, frage ich, weil mir nichts Besseres einfällt.
»Der kann in seinem Zimmer das Fenster aufmachen«, antwortet Iria vollkommen trocken, so dass ich ein wenig lachen muss. Ich betrachte ihr schneeweißes Fell und ihre Wolfsaugen, die mich genau zu analysieren scheinen.
»Es ist schön, hier mal Besuch zu haben.«
»Das glaube ich gerne. Ich gebe mein Bestes, um ein angenehmer Gast zu sein.« Ich nehme mir ein Plätzchen und halte eine Hand darunter, als ich davon abbeiße. Es schmeckt köstlich. Kleine Schokoladenstückchen befreien sich in meinem Mund aus der Keksmasse und zerschmelzen herrlich süß auf meiner Zunge.
»Nevis liebt diese Plätzchen.«
»Er isst sehr gerne süß, hm?«, brumme ich, nachdem ich geschluckt habe. Die Wölfin nickt, was irgendwie eigenartig bei einem Tier aussieht.
»Vielleicht sollte ich ihm meinen Marzipan-Grießbrei mit Pflaumen machen. Das Rezept habe ich von meiner Mutter und es ist köstlich.«
»Sein Gesicht möchte ich sehen, wenn er nach Hause kommt und du für ihn gekocht hast.« Irias Schwanz wedelt aufgeregt von einer zur anderen Seite.
»Meinst du, er möchte das nicht?«, frage ich verunsichert.
»Ich weiß es nicht. Er kennt das nicht.«
»Dass jemand für ihn kocht?«
»Dass jemand für ihn sorgt.«
Ich weiß nicht warum, aber die Antwort verursacht bei mir eine Gänsehaut. Jeder sollte mal die Fürsorge eines anderen genossen haben. Ich entscheide einfach das Risiko einzugehen und erhebe mich.
»Also … kochen wir für Nevis«, sage ich und Iria springt aufgeregt auf.
»Ich leiste dir Gesellschaft.«
»Das duftet einfach himmlisch«, schwärmt die Wölfin zwei Stunden später, als ich einen großen Teller voll Marzipan-Grießbrei auf die Anrichte der kleinen, gemütlichen Küche stelle. Liebevoll dekoriere ich ihn mit ein paar süßen Pflaumen, die ich in einer Vorratskammer in Gläsern eingemacht gefunden habe.
»Möchtest du auch etwas?«
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