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Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay

Titel: Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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gehen.«
    York verließ das Arbeitszimmer und warf die Tür hinter sich zu. Der Tod seines Vaters lag noch keine vierundzwanzig Stunden zurück und schon führte sich dieser Mistkerl auf, als wäre er der Herr im Haus. Die Wut, die schon die ganze Zeit in York kochte, war so grenzenlos wie ohnmächtig. Was sollte er tun? Zur Polizei gehen und sagen: Entschuldigung, ich bin der Sohn von Richter Urban, mein Vater wurde gestern vom Innenminister ermordet, aber ich weiß nicht wie? Abgesehen davon, dass die Polizei Norwin unterstellt war – wer würde ihm glauben? Der Totenschein war von einem anerkannten Mediziner ausgestellt worden und wahrscheinlich war sein Vater tatsächlich an einem Herzanfall gestorben. Doch blieb die Frage, was ihn ausgelöst hatte. Der Inhalt der Kiste musste so erschreckend gewesen sein, dass sie dem Richter mit einem Schlag alle Lebenskraft geraubt hatte.
    York war vollkommen verwirrt. Hinzu kam diese seltsame Episode, in der er von einer Sekunde auf die andere vomAnkleideraum seines Vaters in sein Zimmer – ja was? – gesprungen war? Wie sollte er den Vorgang nennen, der ihn von einem Ort zum anderen transportiert hatte? Oder war das alles nur Einbildung gewesen? Waren seine Nerven nach dem schrecklichen Erlebnis mit ihm durchgegangen?
    York musste irgendetwas tun, sonst würde er noch wahnsinnig werden. Dazusitzen und abzuwarten, bis irgendetwas geschah, machte ihn mürbe. Er musste selbst die Initiative ergreifen, sein Leben in die Hand nehmen, bevor es ihm vielleicht von denselben Männern genommen wurde, die auch seinen Vater auf dem Gewissen hatten.
    Der Schlüssel zu diesem Schließfach in der Zentralstation, den ihm sein Vater gegeben hatte! York hatte ihn seit gestern nicht abgelegt, er hing noch immer an der Silberkette um seinen Hals. Doch wo war der Bahnhof? Herrgott, er würde ja noch nicht einmal den Weg nach Hause finden, wenn man ihn irgendwo zwei Straßenecken weiter absetzte. Er kannte das Haus und das streng bewachte Anwesen. Und damit hatte er auch schon das zweite Problem erkannt: Die Wachen des Innenministeriums würden ihn bestimmt nicht so ohne Weiteres ziehen lassen, obwohl sie eigentlich nur dazu abgestellt waren, ungebetene Gäste am Betreten des Grundstückes zu hindern.
    Nun, eins nach dem anderen. Bevor er überhaupt an einen Ausbruchsplan denken konnte, musste er wissen, was ihn draußen erwartete und wo dieser Bahnhof war, in dem sich das Schließfach befand. Wenn es einen Ort gab, an dem er eine Antwort auf diese Fragen finden konnte, dann war es die Bibliothek, obwohl er nicht viel Hoffnung hatte. Erkannte den Bestand an Büchern eigentlich recht genau, und einen Stadtplan hatte er noch nie in den Händen gehalten.
    Nachdem er die Regale gründlich durchsucht hatte, wurde die Befürchtung zur Gewissheit. Frustriert ließ er sich auf eines der Sofas sinken.
    »York, wo bleibst du? Ich warte schon die ganze Zeit auf dich.« Diffring stand in der Tür. »Der Unterricht hätte schon vor einer Viertelstunde beginnen sollen.«
    York rieb sich müde die Augen. »Entschuldigung«, sagte er erschöpft. »Ich komme sofort.«
    Diffring sah ihn besorgt an. »Der Tod deines Vaters tut mir unendlich leid. Ich habe ihn sehr gemocht. Er war ein Mann, der zu seinen Idealen stand, und das findet man heutzutage nur noch selten.«
    »Danke«, antwortete York. »Das sind die ersten tröstlichen und aufrichtigen Worte, die ich höre. Ich weiß, dass mein Vater auch sehr große Stücke auf Sie gehalten hat.«
    Diffring antwortete nicht, sondern setzte sich York gegenüber auf den Platz, auf dem der Richter ermordet worden war.
    »Vermutlich werden Sie es nicht wissen, aber ich glaube, im Moment sind Sie der einzige Freund, den ich habe.«
    Diffring räusperte sich. »Mein lieber York, es gibt viele Menschen, denen du sehr am Herzen ...«
    »Hören Sie auf, solch einen Unsinn zu reden. Keiner belauscht uns, Sie können also offen reden.«
    »Für einen Jungen von fünfzehn Jahren redest du ziemlich ...«
    »... erwachsen?«, vollendete York den Satz, den sein Lehrerbegonnen hatte. »Glauben Sie mir, ich hatte wenig Gelegenheit, ein normales Kind zu sein. Meine Mutter starb kurz nach meiner Geburt und mein Vater war so gut wie nie Zuhause. Mit Ihnen habe ich die meiste Zeit meines Lebens verbracht, also darf ich Sie doch einen Freund nennen.«
    York nahm überrascht wahr, dass Diffring errötete. »Natürlich darfst du das. Und es freut mich, denn ich glaube, dass du etwas ganz

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