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Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier

Titel: Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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– an einem Ort, der sich ganz sicher nicht in Morland befand. Vermutlich würde noch nicht einmal York, der sich allein durch Geisteskraft an andere Orte versetzen konnte, von hier einen Weg zurückfinden. Tess musste an Nora denken, die nach der Schließung des Grand Hotels schlafend in ihrem Bett lag. Niemand war da, der sich um sie kümmern konnte. Nora würde schlafen, bis sie starb. In drei Tagen würde sie verdurstet sein. Und dieser Gedanke war Tess unerträglich. Die alte Frau war die letzte lebende Zeugin jenes Krieges, der die Welt vor sechstausend Jahren beinahe vollkommen zerstört hatte. Sechstausend Jahre! Und nun hing alles davon ab, dass Tess innerhalb von drei Tagen einen Weg zurück nach Morland fand.
    Sie stand auf und wandte sich nach Süden, wo in einer Senke ein Weg aus einem Wald heraus nach Westen führte.
    Je weiter sich Tess dem Fuß des Hügels näherte, desto steiler fielen seine Flanken ab. Das letzte Stück Hang verlief fast senkrecht und sie musste es daher auf dem Hosenboden hinunterrutschen. Dennoch war die Landung hart. Zwischen zusammengebissenen Zähnen stieß sie einen Fluch hervor.
    Tess grübelt nicht lange herum, welche Richtung sie einschlagen sollte. Sie würde dem Weg nach Westen folgen. Es war keine bewusste Entscheidung, aber sie fühlte sich in diesem Moment richtig an. Tess krempelte die Ärmel hoch und öffnete die obersten Hemdknöpfe. Es war nicht heiß, aber zumindest doch so warm, dass sie sich ein wenig Kühlung verschaffen musste.
    Das Land wogte in sanften Wellen dem Horizont entgegen. Im Norden wurde es von einer Gebirgskette begrenzt, deren Gipfel sich im trüben Dunst tief stehender Wolken verloren. Als Tess sich umdrehte, fiel ihr auf, dass die Anhöhe von Menschenhand geschaffen sein musste: eine grüne, ebenmäßige Kuppel, etwa hundertfünfzig Fuß hoch, mit der Esche auf dem höchsten Punkt.
    Hatte der zweispurige Pfad schon einen Hinweis darauf gegeben, dass diese Welt bewohnt war, so hatte die Kuppel den endgültigen Beweis dafür geliefert.
    Beim Weitergehen wurde Tess von einem unbehaglichen Gefühl heimgesucht. Sie traute der lieblichen, friedvollen Landschaft nicht. Was konnte sich nicht alles an Schrecken darin verbergen! Es war hell, aber in einigen Stunden würde die Sonne untergehen. Wo sollte sie nach Einbruch der Nacht schlafen? Was sollte sie essen? Hunger hatte sie noch nicht, aber einen Schluck Wasser hätte sie gut vertragen können. Bis jetzt hatte sie noch kein Lebewesen entdeckt, doch in den Wäldern musste es eine Vielzahl von Tieren geben. Tess, die in der Bibliothek des Waisenhauses gearbeitet hatte, kannte sich ein wenig in Pflanzenkunde aus. Hier wuchsen ausnahmslos Laubbäume, keine Fichten, Kiefern oder Tannen, sondern lauter Erlen, Buchen und Eichen. Auch das Weiß der in ihrer Heimat allgegenwärtigen Birken schimmerte nirgendwo durch. Noch nie in ihrem Leben hatte Tess sich so verloren gefühlt – bis plötzlich ein Hund vor ihr auf dem Weg stand.
    Wie aus dem Nichts war er erschienen, ein großes Tier mit goldenem Fell. Er blinzelte verwirrt, als hätte er nicht erwartet, hier auf ein junges Mädchen zu treffen. Er senkte den Kopf und schnüffelte, als würde etwas ungleich Wichtigeres seine Aufmerksamkeit fesseln, und trottete dabei wie zufällig auf Tess zu. Als er nur noch wenige Schritte von ihr entfernt war, hob er den Kopf und hechelte, als wartete er auf etwas. Tess streckte vorsichtig ihre Hand aus. Der Hund schnupperte daran. Er musste niesen und Tess zuckte zurück. Das Tier war so überrascht, dass es einen Satz machte, aber nicht fortlief oder gar bösartig knurrte.
    »Tut mir leid«, sagte Tess. »Ich wollte dich nicht erschrecken.«
    Der Hund machte erneut zwei vorsichtige Schritte auf sie zu und schnüffelte. Schließlich leckte er an ihrer Hand.
    »Du weißt, wie du dir Freunde machst, was?«, sagte Tess. Sie ging in die Knie, strich ihm übers Fell und stellte fest, dass er ein Halsband trug, an dem eine messingfarbene Marke befestigt war.
    »Porter«, sagte sie. »Das ist ja ein seltsamer Name.« Tess stockte. Ihr war auf einmal kalt. Sie hatte die Schrift lesen können! War die Welt, in der sie gestrandet war, letzten Endes doch nicht so fremd?
    Porter drehte sich um und trottete den Weg entlang, um auf der Kuppe einer niedrigen Anhöhe innezuhalten und sich nach ihr umzusehen.
    »Ich komme«, sagte sie und folgte ihm. Wer immer der Besitzer dieses Hundes sein mochte, er schien ein Mensch wie sie zu

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