Morpheus #2
die den Ocean und den Washington Drive verstopften, auf der Suche nach dem Unmöglichen an einem Freitagabend – einem Parkplatz.
Dass du es nicht sehen kannst, heißt noch lange nicht, dass es nicht da ist.
Miami Beach, wo alles möglich ist, wo sich die Reichen und Berühmten – und die Möchtegernberühmten – tummeln. Sehen und gesehen werden.
Die schönen Mädchen mit den unechten Brüsten, den engen, tief, tief ausgeschnittenen Shirts und der dunklen, warmen Bräune, die natürlich nahtlos ist.
Die schönen Jungs mit den wie gemeißelten Kör-pern in Lycra, Leder, Schlangenhaut. Jeder feiert hier mit jedem, bei Cosmopolitans, Chocolate Mar-tinis, Mojitos und anderen schicken exotischen Drinks. In der schwülen Luft pulsiert eine sexuelle Energie, die fast mit Händen zu greifen ist.
Er schloss die Augen und lauschte.
Und nur ein paar Kilometer von all der Dekadenz entfernt stand er hier in einer stinkenden Gosse. Die Straße war mit Schrott und Abfall übersät, alte Bier-dosen und Flaschen, benutzte Kondome und leere Fastfood-Tüten überall. Die meisten Straßenlaternen waren längst kaputt, und die Stadt machte sich nicht die Mühe, sie zu ersetzen, denn das hier war keine Gegend, in der die Touristen ihr Geld ausga-ben. Das hier war eine Sackgasse, die letzte Zuflucht von Säufern und Junkies. Allerdings war sie derzeit menschenleer. Die Polizei war schon da gewesen, hatte die Obdachlosen und andere unerwünschte Individuen bereits verscheucht.
Dass du es nicht sehen kannst, heißt noch lange nicht, dass es nicht da ist.
Er hörte den Wagen, bevor er ihn sah. Das Knirschen der Reifen auf dem Asphalt, als er langsam durch Scherben und Abfall rollte. Das Schnurren des Motors und das Ächzen der Wagentür. Das Funkgerät krächzte, dann schlug die Tür zu. Schritte klangen schwer auf der Straße. Sie hallten in der Gasse wider, wurden von den Wänden der geschlossenen Läden überlaut zurückgeworfen. Dann verklangen die Schritte, der Mann hatte kehrtge-macht und lief in die andere Richtung, ohne die Sackgasse, und was darin lauerte, zu erkunden.
Sein Herz raste vor Aufregung, und er sog den Geruch der Nacht tief ein. Seine Lungen füllten sich mit feuchter Luft, pumpten Sauerstoff in sein Blut.
Es rauschte in seinem Kopf. Er wartete geduldig, bis die Schritte verklungen waren, dann trat er aus dem Dunkel. Er war vorsichtig, als er sich dem Wagen näherte, wich lautlos zerbrochenen Flaschen, rostigen Dosen aus. Seine in Latex steckenden Finger fanden das Messer in seiner Tasche. Zärtlich befühlte er die Klinge und lächelte. Das Blaulicht tanzte still auf den Gassenwänden, sein Rhythmus hatte etwas Hypnotisches.
Mögen die Spiele beginnen.
VIER
«Alpha 816.» Victor sprach in das Funkgerät an seiner Schulter und sah sich um. «Ich stehe an der Ecke 79. und Biarritz, es ging um eine Achtunddrei-
ßig, aber hier ist niemand zu sehen.»
«Alpha 816. Der genaue Ort war Atlantic Cable Company. Nordost, 79. Straße und Biarritz Drive.
Männlicher Weißer mit Messer; es wurde um eine Einheit gebeten.» Die Stimme der Zentrale erfüllte die Gasse, doch sie verstummte, als Victor Chavez auf Antworten drückte, und ihm fiel plötzlich auf, dass er ganz allein hier draußen war.
«Alpha 816», sagte er. «Hier ist kein Mensch. Ich habe auch auf dem Parkplatz nachgesehen und bei den beiden Läden hier, aber die Luft ist rein. Alles sicher.»
«Alpha 816, verstanden», antwortete die Zentrale.
«Alpha 816. Dann bin ich jetzt erst mal auf zwölf.» Es war halb zwei Uhr morgens, und «zwölf»
hieß Essenspause. Ein schöner, fettiger Burger würde den Rest dieser beschissenen Nacht erträglicher machen. Morgen war sein freier Tag – er würde im Fitness-Studio ein paar Extrarunden drehen.
«Alpha 816. Zwölf bis 2 Uhr 30», knarzte das Funkgerät zurück.
Dann war es still. Auf dem Weg zurück zum Streifenwagen überlegte er, ob er zurück nach South Beach fahren und in den Diner Ecke 11.
Straße und Washington Drive gehen sollte. Vielleicht hätte er von da aus einen guten Blick auf die Bräute, die vorbeiliefen. Wie sie aus den Limos stiegen und sich vor dem Mynt anstellten, in getiger-ten Catsuits oder in Lederminis.
Er öffnete die Wagentür und stieg ein. Er hatte den Motor laufen lassen, während er durch die zugemüllte Gasse watete, damit es im Wagen kühl blieb. Selbst im November waren es nachts noch über fünfundzwanzig Grad, und das bei einer Luftfeuchtigkeit von neunzig
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