Morphogenesis
Tür heraus. Ich betrachtete die feuchte Schleimspur, die er hinterließ. Falls jetzt ein Chronerkommando auftauchte, war es um uns geschehen. Ich warf einen Blick über den Fluss. Die Gestalt im gegenüberliegenden Haus hatte sich vom Fenster zurückgezogen. Etwa einen halben Kilometer entfernt schwebte ein Parabolid, aber sein Kurs führte ihn von Elijahs Domizil fort. Direkt unter uns jedoch lag ein Patrouillenboot in der Dunkelheit, und mit einem eisigen Schauer glaubte ich zu erkennen, dass die Chroner an Bord zu meinem Fenster emporblickten!
Offensichtlich hatte es nicht ausgereicht, nur das Fensterbrett von Manoms Spuren zu säubern. Ich hätte an seine Kriechspur auf der Fassade denken müssen. Für die Kameras eines Paraboliden musste sie glühen wie eine Neonleuchtreklame. Die Besatzung musste eine Patrouillenbarke verständigt haben, und schon …
Ich wischte mir den kalten Schweiß von der Stirn, dann wirbelte ich herum und suchte Manom. Er war auf der Suche nach irgendeiner Art von Werkzeug in eines der angrenzenden Zimmer gekrochen. Nun stocherte er mit einem rostigen Nagel an dem Zylinder herum. Der Anblick, der sich mir bot, als ich ihn fand, ließ mich verzweifelt nach vorn stürzen, doch es war bereits zu spät. Fassungslos musste ich mit ansehen, wie sich Manoms Gesicht aufhellte und der Zylinder plötzlich ausfuhr wie eine Teleskopantenne. An seiner Spitze glühte ein helles blaues Licht auf. Stolz hielt Manom den strahlenden Stab in die Höhe, dann stieß er ihn nach vorne, mit der Spitze gegen die Zimmerwand. Er gab einen lauten Knall, gefolgt von Grollen und Poltern, und in der Wand klaffte ein türgroßes Loch. Eine Wolke aus Gesteinsstaub quoll durch das Fenster ins Freie.
»Itona pan Aered Saia!«, rief Manom triumphierend.
Was sollte ich in diesem Augenblick tun? Den Jungen aus dem Fenster werfen? Ihn dafür erschlagen, dass er die Waffe zum Leben erweckt hatte? Ich befürchtete, mein ungebetener Gast war für all das zu kräftig und würde sich zu wehren wissen. Sollte ich Manom vielleicht bitten – anflehen – zu gehen und den Stab an der tiefsten Stelle des Flusses zu versenken? Wie sollte ich ihm beibringen, dass es sich nur noch um Augenblicke handeln konnte, ehe die Chroner die Tür einrennen, ihn unverzüglich exekutieren und mich in Gewahrsam nehmen würden?
Wie in Trance starrte ich auf die strahlende Spitze der Waffe und klopfte mir dabei den Staub aus den Kleidern. Waren mittlerweile sämtliche Antennen und Mikrophone der Patrouillenboote auf dieses Zimmer gerichtet? Schwebte über dem Turm bereits ein Vollzugs-Parabolid? Wurden da nicht schon Schritte im Treppenhaus laut, weit unten zwar, doch unaufhaltsam näher kommend? Besaß ich in dieser Sekunde überhaupt noch eine Existenz?
»Goona tar.« Manom zupfte an meinem Ärmel. »Basa ekkone sesal!« Er ließ den Metallstab zur Demonstration wieder zu seiner ursprünglichen Größe zusammenschrumpfen und reichte ihn mir. Geistesabwesend nahm ich ihm das Objekt ab und steckte es ein.
»Nichts ist los«, erwiderte ich. Die Mauern begannen zu schwingen, vibrierten zu dem unglaublich tiefen Ton, der über den Turm hinzog. Licht schoss zum Fenster herein, erfüllte die Wohnung und verwandelte Manom und mich in Schatten. Ich stürzte vor, schloss die Tür und verbarrikadierte sie mit allem, was sich durchs Zimmer schieben ließ. »Nun ist überhaupt nichts mehr los, mein Freund, weder mit mir, noch mit dir …«
Zahlreiche Schritte erklangen auf dem Flur, entfernten sich in Richtung des Zimmers, durch das Manom in den Turm gelangt war, näherten sich erneut und verstummten. Für eine Weile herrschte trügerische Stille, dann wurde die Zimmertür mit lautem Donnerschlag in den Raum katapultiert. Drei Chroner drangen ein, Omnivoren in dunkelroten Hüftröcken, gefolgt von einem Zyklopen. Eine vierte Kreatur spähte linkisch ins Zimmer, und ich erkannte Demuarsell. Sie sah mich, gurrte verschlagen und war wieder verschwunden. Ich brauchte nicht lange zu vermuten, dass sie den Chronern den Weg gewiesen hatte. In Sekundenschnelle sicherten diese das Zimmer, dann bauten sie sich vor Manom und mir auf.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte ich und trat schützend vor den Jungen.
Hinter mir erklang ein verdächtiges Gleiten. Einer der Chroner stieß mich beiseite und stürmte an mir vorbei, doch er kam zu spät. Manom war blitzartig zum Fenster zurückgewichen und hinausgestürzt. Im selben Moment, als der Junge jenseits der
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