Morphogenesis
dumpfer Knall, und Kreuzbeißers Arm hatte sich in seine Bestandteile aufgelöst. Der Chroner schrie auf, ließ seine Rebasche fallen und umkrallte den Armstummel, der von einem grellen, hungrigen Glühen umgeben war. Auch die Hand, mit der er die leuchtende Schulter berührte, begann nun zu glühen und sich aufzulösen.
Ich tat einen Schritt nach vorne und las den Rucksack auf, dann richtete ich die Waffe auf Kreuzbeißers verdutztes, von Wut und Schmerz verzerrtes Gesicht.
»Sayonara, Hummerfuß!«, zischte ich und stieß ihm die glühende Stockspitze in den Brustkorb. Mit Kreuzbeißer geschah das Gleiche wie zuvor mit der Wand – mit dem Unterschied, dass die wenigen Brocken, die von ihm in den Raum gesprengt wurden, weiterglühten, bis das Feuer sie vollkommen verzehrt hatte. Einer der vom Korridor verblüfft ins Zimmer starrenden Chroner war von umherfliegenden Fetzen Kreuzbeißers getroffen worden und hatte ebenfalls zu brennen begonnen. Kreischend und jaulend begann er auf die unersättlichen Flammen einzuschlagen und rannte schließlich brüllend den Korridor hinab. Hoffentlich stolperte er dabei über Demuarsell!
Ich war mir eines Triumphs über Kreuzbeißer noch nicht gänzlich bewusst geworden, als ein gleißender Lichtfinger durchs Fenster schoss und meinen rechten Arm mitsamt der Waffe in eine stinkende Molekülwolke verwandelte. Zwei, drei Sekunden lang starrte ich auf die Stelle, wo mein Arm gewesen war, dann stürzte ich zur Tür heraus und hetzte über den Flur. Den aufbrandenden Schmerz an meiner Schulter ignorierend, rannte ich zum Treppenhaus, wo ich ein unförmiges glühendes Bündel vorfand: die Überreste des zweiten Chroners. Ich machte einen respektvollen Bogen um das zuckende Etwas, rannte zur gegenüberliegenden Turmseite, dann blind durch einen finsteren Korridor, auf das schwach leuchtende Rechteck eines Fensters zu. Das Treppenhaus hallte von gebrüllten Kommandos der Chroner wider, trampelnde Schritte erschollen hinter mir. Ich umklammerte den Rucksack so fest ich konnte und hechtete kopfüber zum Fenster hinaus. Mein Schwung, so hoffte ich, würde mich bis zum Wasser tragen. Ich hätte es wohl auch geschafft, wäre da nicht der Parabolid gewesen, der auf der anderen Seite des Turms über dem Fluss lauerte. Im Fallen nahm ich noch den Blitz wahr, dann traf mich etwas sengend Heißes und schnitt mich einfach in zwei Teile. Die eine Hälfte mit dem Rucksack in der Hand löste sich von mir und prallte auf die Felsen am Fuß des Turms. ›Meine‹ Hälfte – die mit dem Kopf, aber ohne Arme – klatschte ins Wasser und versank …
Ur-El musste Ka dabei helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Der gebrechliche Zustand seines Körpers war Ka peinlich, doch die Maschine tat so, als falle ihr sein Siechtum gar nicht auf. Schweigend führte sie ihn zum Ausgang und begleitete ihn den langen Weg zurück zum Fluss. »Nun liegt es an dir, die Stimme zu wählen, der du gehorchen wirst«, erklärte Ur-El. »Du kannst flussabwärts gehen, um weise zu sterben …«
»Oder flussaufwärts, um dumpf vor mich hin zu vegetieren«, schlussfolgerte Ka. Er folgte mit dem Auge dem Lauf des Wassers. »All diese Skelette, waren das einst Engel?«
»Nein«, sagte Ur-El. »Es sind die Seelen der Menschen, die nicht gerettet werden konnten. Jaru ist seinem Plan fern geworden …«
»In einfachen Worten: Das Paradies ist erloschen, es gibt keine Erlösung nach dem Tod.«
»Eine Simplifikation der Wahrheit, aber im Grunde zutreffend.«
»Was treibt ihr dann hier?«, wunderte sich Ka. »Wenn Gott, seine Heerscharen, der Himmel und die Erlösung sinnlos geworden sind, warum zum Teufel existiert ihr dann noch? An was klammert sich diese absurde Realität?«
»An den Plan.«
»An welchen verdammten Plan?«, schrie Ka. »An die große Verarschung?«
Die Spannkraft seiner zu Fäusten geballten Hände ließ Haut und Fleisch aufplatzen und entblößte bläulich schimmernde Knochen. Ka setzte sich erschöpft auf einen Felsen, betrachtete seine rissigen Hände und das starre Geflecht der Adern auf seinen Unterarmen, dann den ihm am nächsten stehenden Pfahl. »Ich werde bald dazugehören«, seufzte er.
»Vertraue deinem Chet«, ermutigte ihn Ur-El.
Ka gab ein Schnauben von sich. »Der liegt im Koma …«
»Bezeichnet dieses Wort in deiner Welt nicht einen Zustand der Empfindungslosigkeit? Der Besinnungslosigkeit, sogar Leblosigkeit?«
Grübelnd streckte Ka seine Hände empor. Das Licht der Sonne
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