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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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schien durch sie hindurch wie durch altes Pergament. »Seit wann bin ich …?«
    »In der Obhut deiner Maschine? Seit 54 irdischen Tagen.«
    Ka ließ sein Auge über die Gepfählten wandern. »Falls ich mich zuvor tatsächlich als – was auch immer – in einer lebenserhaltenden Maschine aufgehalten habe«, sinnierte er, »wo sind wir dann jetzt? Auf dem Fußboden eines Krankenzimmers?«
    »Du bist ein Ka- Körper«, erklärte Ur-El. »Und dies ist Jaru.«
    »Natürlich, der Garten Eden befindet sich gleich auf der anderen Seite der Steckdose …«
    »Es existiert nicht nur eine Realität«, ignorierte Ur-El Kas Spott. »Und somit auch nicht die Realität.«
    »Dann ist Jaru folglich nicht der einzige Himmel, sondern nur einer von vielen …«
    »Darauf darf ich dir keine Antwort geben«, erklärte der Erzene. »Das Problem von euch Menschen ist: Ihr alle nehmt die Welt um euch herum auf unterschiedliche, oft irrationale Art und Weise wahr, betrachtet sie durch wissenschaftliche und religiöse Filter und interpretiert die Realität aus Milliarden unterschiedlicher Perspektiven.«
    »Aber das hier ist nicht wirklich!«, erregte sich Ka.
    »Du bist dir dieser Welt bewusst«, konterte Ur-El. »Du handelst und fühlst. Steht das nicht in Widerspruch zu dem, was du Koma nennst? Alle erdenkbaren Quantenzustände existieren hier gleichzeitig. Dasselbe gilt für den Geist. Ein Gedanke ist nicht vorhanden, solange ihn niemand denkt. Dennoch existiert er. Jaru ist ebenso real wie deine Welt. Wir sind eingebunden in ein kosmisches Geschehen.«
    Ka schüttelte den Kopf. »Ich werde flussabwärts gehen«, sagte er bestimmt. »Wenn einzig der Strom einer Maschine meinen Körper noch am Leben erhält, dann will ich wissen, wohin er fließt.«
    »Trinke hin und wieder davon«, empfahl ihm Ur-El. »Dann erreichst du vielleicht dein Ziel …«

 

     
     
    Wasser schlug in der Ferne satt und träge gegen Gestein, überlagert vom leisen Klingen zahlloser Glockenspiele. Ich blinzelte mehrmals, worauf das unscharfe grüne Flimmern über mir sich langsam in ein Baldachin aus Blättern und Ranken verwandelte.
    Ich lag auf nassem Kiesboden, splitternackt – und vollkommen regeneriert. Nur eine fingerdicke rote Linie, die vom Hals abwärts über die Brust bis zur linken Hüfte verlief, ließ vermuten, dass mich vor nicht allzu langer Zeit der Strahl eines Paraboliden in zwei Hälften geschnitten hatte. Um mich herum erhoben sich die dichtgewachsenen Hecken eines Laubengangs. Das Blattwerk bewegte sich leise im Wind und erzeugte dabei jene metallische Musik, die nach Glockenspielen klang.
    Neben mir lagen drei menschliche Köpfe und sahen mich aufmerksam an. Ich starrte schweigend von einem zum anderen. Es waren zwei Männerköpfe und der einer Frau. Letztere hatte die Zähne gefletscht, ihr Mund und ihr Kinn waren blutverschmiert. Der am weitesten von mir entfernte Kopf war der eines älteren Mannes mit schlohweißen Haaren und sorgfältig gestutztem Vollbart. Eigenartig an ihm war, dass er einen Teil der langen blonden Haare des Frauenkopfes zwischen den Zähnen hielt und dabei sehr angestrengt wirkte. Der mir am nächsten gelegene Kopf wirkte jugendlicher, wenn auch seine kurzen schwarzen Haare an den Schläfen bereits ergraut waren.
    Eigentlich ›lagen‹ die Köpfe nicht. Alle drei standen aufrecht auf dem Boden, fast so, als seien ihre dazugehörigen Körper bis zum Hals im Erdreich vergraben.
    »Bonjour«, krächzte der vorderste, als ich beharrlich schwieg. Er vollführte eine Vorwärtsrolle, wobei die blutige Halswunde eines Geköpften sichtbar wurde, und kam keine Handspanne von mir entfernt auf seinem Halsstumpf wieder zum Stehen. »Seid Ihr wieder im Vollbesitz Eurer geistigen Kräfte?«
    Ich konnte nicht anders, als ihn weiterhin verblüfft anzustarren. »Wer …?« Ein Hustenanfall raubte mir die Stimme. Ich holte tief Luft, krümmte mich zusammen und rollte zur Seite, worauf sich ein Schwall Wasser aus meiner Lunge ergoss. Der Kopf der Frau begann zu knurren und zu zerren, und ihr Bändiger hatte alle Zähne voll zu tun, um sie von mir zurückzuhalten. Ungewollt spie ich Wasser in das Gesicht des Kopfes vor mir, der jedoch ausgesprochen gelassen blieb. Mit geschlossenen Augen und verkniffenem Gesicht wartete er, bis ich wieder bei Atem war.
    »Verzeihen Sie«, bat ich.
    »C’est d’accord.«
    Ich sah mich um. Die Hecken waren über drei Meter hoch, ihre Ranken undurchdringlich miteinander verwachsen. Vor und hinter mir

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