Morphogenesis
sind. Auf ihre Bilder.«
»Stehen die Leute unter Drogen?« Ka schritt die Sesselreihen ab. »Werden sie mit unterschwelligen Botschaften ruhig gehalten, in so einer Art Video-Massenhypnose?«
»Junger Mann, was reden Sie da eigentlich?«, fragte die Frau kopfschüttelnd.
Ka rieb sich die Augen. »Nichts, schon gut.«
»Dort«, sagte die Frau und deutete nacheinander in drei verschiedene Richtungen. »Dort drüben. Kommen Sie, helfen Sie mir, meine Beine sind so müde …« Sie führte ihn zu einem leeren Sessel, der sich etwa dreißig Sitzplätze vom Eingang entfernt befand. »Hier ist mein Platz«, bestätigte sie Kas Vermutung, wobei sie mehr mit sich selbst zu reden schien. »Und mein Fernseher …« Sie ließ sich ächzend auf dem Sessel nieder, legte den Kopf zurück und hob ihren Blick hinauf zum Monitor. Ihre Sitznachbarn, eine kränklich-hagere Frau mit dunklen Augenringen und ein untersetzter Mann mit Schnauzbart und grauen, schulterlangen Locken, nahmen keine Notiz davon. Aus Neugier folgte Ka dem Blick der Frau, doch auf ihrem Bildschirm war erwartungsgemäß nicht mehr zu sehen als auf allen anderen. Seltsamerweise besaß keiner der Monitore so etwas wie eine Programmkonsole. Ka sah sich um, in der Hoffnung, irgendwo eine Art Steuerpaneel oder zumindest Fernbedienungen auf den Schößen der Menschen oder auf dem Fußboden zu entdecken, doch das Fernsehprogramm – falls es denn ein solches geben sollte – schien aus einem separaten Raum gesteuert zu werden.
»Ich hatte auch mal ein Bild …«, sinnierte die Frau nun beinahe verträumt. »Ja, ich hatte auch eins … Doch dann ist es immer undeutlicher geworden. Als es fort war, bin ich gegangen … Ich bin rausgegangen, wissen Sie? Nach draußen …!« Sie kicherte albern.
»Sie kommen jetzt bestimmt wieder allein zurecht«, befand Ka.
»Oh ja, natürlich«, versicherte die Frau. »Besten Dank, junger Mann. Warum gehen Sie nicht auch an Ihren Platz und ruhen sich etwas aus? Dort hinten, sehen Sie?« Ihr ausgestreckter Arm wies in eine entfernte Ecke der Halle, wo inmitten des Bandes aus weißem Rauschen ein einzelner Monitor verdächtig ruhig strahlte. »Ich glaube, Sie haben sogar noch ein Bild …«
Ka kniff die Augen zusammen und ging ein paar Schritte in die angewiesene Richtung.
»Oh, bitte warten Sie noch«, rief ihm die Frau hinterher, ohne den Blick von ihrem Bildschirm abzuwenden. »Würden Sie mir noch den Gefallen tun und unterwegs gleich einer Schwester Bescheid sagen? Es wird zwar kaum noch etwas nützen, aber ich brauche dringend einen neuen Beutel.«
Der Schrei kam aus den Tiefen des Turms und verklang erst, als ich die Augen bereits geöffnet hatte. Ich erhob mich schlaftrunken, ging zur Tür und lauschte mit dem Ohr am Holz. Lange Zeit geschah nichts, dann hallten dumpfe Schläge durch das Treppenhaus, gefolgt von einem neuerlichen Wehklagen, das in einem Wimmern verklang. Ich trat von der Tür zurück. Dass ein paar Stockwerke tiefer lediglich ein Fernsehapparat zu laut lief und Okabur sich bei Bier und Knabbergebäck obskure Videos zu Gemüte führte, war wohl auszuschließen. Ein neuerlicher, markerschütternder Schrei erscholl, gefolgt von einem jämmerlichen Heulen.
Was in aller Welt ging in den Tiefen dieses Gemäuers vor sich? Hatten die Chroner die Festung besetzt, um mich für meinen Verrat zur Rechenschaft zu ziehen? Folterten sie aus dem Corrigan meinen Aufenthaltsort heraus? Standen sie womöglich schon vor meinem Refugium?
Nur die Ruhe, Krispin. Diese Kreaturen sind viel zu fett, um die letzte Treppe emporzusteigen.
Aufgeregt begann ich, durch das Zimmer zu streifen und blieb schließlich vor einer prunkvollen ägyptischen Wandmalerei stehen – zweifelsohne eine Fälschung! – während ich überlegte, welche Möbel ich vor die Tür schieben sollte, um die Chroner am Eindringen zu hindern. Alle vielleicht, denn ein einziges würde diese Teufel wohl kaum aufhalten.
Erneut streifte ich ziellos durch den Raum, verharrte am Ende wieder vor der Tür und spielte mit dem Türgriff. Zu meiner Überraschung ließ er sich mühelos niederdrücken. Sahia hatte die Riegel tatsächlich offen gelassen, wie sie es angekündigt hatte. Blieb die Frage: Diente die offene Tür tatsächlich meiner Flucht, oder war es eine Falle? Hatte Sahia die Wahrheit gesagt, oder war das, was sie mir über ihr zweites Ich, die Kemahor und den Krieg erzählt hatte, nur Teil eines ausgeklügelten Plans? Eventuell erwartete mich nach
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