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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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dem Ben-Sira-Experiment nun ein weiterer sadistischer Reaktionstest der Duat-Betreiber …
    Ich öffnete die Tür einen Spalt weit und warf einen Blick auf den Korridor. Weder das finstere Gesicht des Corrigans, noch seine vorschnellende Dolchklinge (und zu meiner Erleichterung auch kein Chronerschwert) hinderten mich daran, meinen Kopf hinauszustrecken und die Treppe hinunterzuspähen. Niemand war zu sehen, lediglich die grässlichen Schmerzlaute spukten aus der Tiefe empor. Ich schlüpfte hinaus auf den Gang und schlich die Stufen hinab. Erst als ich die Treppensohle erreicht hatte, wurde mir bewusst, dass ich kaum etwas am Leib trug. Lediglich mit einem Lendentuch bekleidet wandelte ich durch die Dunkelheit.
    Von weit unten stieg schwacher Lichtschein das Treppenhaus hinauf. Gedämpft klingende Stimmen drangen aus der Tiefe an meine Ohren, Fetzen eines Gesprächs oder Verhörs, unterbrochen von Schlägen und Wehgeschrei. Ich tastete mich an der Turmwand entlang auf den Lichtschimmer zu, bis ich drei Etagen tiefer vor einer halb geöffneten Pforte stand. Fackelschein erfüllte den dahinter liegenden Raum, und die Stimmen waren nun deutlich zu unterscheiden: Eine von ihnen gehörte Okabur, eine andere Sahia, obwohl ich sie nie zuvor in einem derart verächtlichen Tonfall hatte sprechen hören. Dabei fiel sie hin und wieder in eine unbekannte, kehlige Sprache, die irgendwie nicht zu menschlichen Stimmbändern passen wollte. Auch das schmerzerfüllte Krächzen von Kreuzbeißer und Rabendorn meinte ich herauszuhören, hin und wieder unterbrochen durch einen bellenden Laut des Corrigans, der diese zum Reden oder Schweigen aufforderte. Die Chroner waren also tatsächlich im Turm!
    Ich trat einen letzten Schritt vor und warf einen Blick durch den Türspalt. Was ich sah, übertraf meine schlimmsten Befürchtungen; nicht, weil ich um meinen Kopf bangte oder glaubte, man handle den Preis für den Verrat an mir aus, sondern weil sich mir ein weitaus groteskeres Schauspiel bot, als ich je erwartet hatte.
    In dem Raum befanden sich die Chroner, die mich über die Mauer geschleppt hatten. Sie waren jedoch keinesfalls hier, um mir ihre Rebaschen durch den Leib zu bohren. Alle drei lagen ausgestreckt auf ihren Bäuchen. Mächtige Eisennägel waren durch ihre Arme und Beine in den Boden getrieben worden und hinderten sie daran, sich zu bewegen. Lediglich mit dem Kopf zu nicken war ihnen vergönnt, und selbst das musste ihnen unvorstellbare Schmerzen bereiten. Metallschalen mit brennendem Öl standen auf ihren bulligen Rücken, und bei jedem Nicken, jedem geständigen Zucken ihrer Köpfe oder einem hilflosen Verneinen sorgten Ketten, die von den Schüsseln zu massiven, in die Hinterköpfe der Chroner geschlagenen Haken liefen, für ein Überschwappen der feurigen Flüssigkeit. Wie kleine Lavaströme rann dann das Öl über die Körper der Aufseher und hinterließ schwelende Bahnen verbrannten Fleisches.
    Der Corrigan lief hämisch grinsend von einem Chroner zum anderen und füllte gewissenhaft das übergelaufene Öl wieder nach. Dass dabei flammende Tropfen über die Körper der Gefolterten spritzten, schien ihn wenig zu stören. Im Gegenteil, er füllte die Schalen aus solcher Höhe auf, als schenkte er ägyptischen Tee ein. Das Schreien und Klagen der Aufseher drang mir durch Mark und Bein.
    »Hört auf zu jaulen!«, erklang nun Sahias Stimme wieder in verständlicher Sprache. »Den verdorbenen Seelen in eurer Bucht ist ebenso zumute, doch sie schreien nicht einmal halb so laut wie ihr.«
    Lediglich Sahias Schatten war zu sehen, merkwürdig verbogen und tanzend. Wahrscheinlich stand sie vor einem offenen Feuer. Ich reckte den Kopf durch den Türspalt, um sie erkennen zu können. Es wäre nicht nötig gewesen, denn sie begab sich von selbst in mein Blickfeld. Doch dabei schritt sie nicht, sie kroch!
    Mein bestürztes Aufstöhnen ließ das aberwitzige Szenario für eine Sekunde gefrieren. Selbst die Flammen schienen erschrocken innezuhalten, ehe Sahia und der Corrigan herumwirbelten und mich überrascht ansahen – einen geduckten, halb nackten Mann, der wie versteinert in der offenen Tür kauerte. Fassungslos starrte ich auf Sahias nervös peitschenden Hinterleib, ähnlich dem Körper jener riesigen Schlange, die ich unlängst in dem finsteren Gewölbe unter dem Turm aufgeschreckt hatte. Dort, wo bei einem Menschen die Beine ansetzten, ging Sahias Hüfte in einen üppigen, schillernd grünen Schlangenleib über. Ein zartes Geflecht

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