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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch
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Italiano
erst am Abend aus), da hatte dieser Kellner (der seinerseits sehr dünn war und eher aussah wie ein Friseur) ein wenig übertrieben. Aber so viel traf zu: Wie Marco so federnd daherschritt, federte um die Mitte, im Übergangsbereich von Hemd und Jeans, auch ein bisschen Bauch mit.
    Und dann brachte Alfredo den Sekt in einem silbrig glänzenden Eimer, wie es sich gehörte. Und zeigte die Flasche und präsentierte die Marke, und es war ein ziemlich teurer Sekt. Und dann knallte es und schäumte, und sie ließen die Gläser einander behutsam berühren, das hatte etwas von einem sehr vorsichtigen Kuss. Und dann sagte Marco: Ich bin froh, dass du gekommen bist!
    Hast du damit gerechnet?, sagte sie.
    Ich habe es gehofft, sagte er.
    Es hätte ja sein können, sagte sie, dass ich nicht gekonnt hätte.
    Ja, sagte er.
    Es hätte auch sein können, dass ich nicht gewollt hätte.
    Ja, sagte er. Aber ich bin froh, dass du gekonnt und gewollt hast.
6
    Seit wann bist du überhaupt hier?, sagte sie. Und
wieso
bist du überhaupt hier?
    Er sei in der Nähe gewesen, sagte Marco. Bei einem Kollegen in Pisa. Und da sei ihm auf einmal San Vito eingefallen. Und am nächsten Tag sei er, statt gleich nach Norden Richtung Milano zurückzukehren, wo er jetzt seine Ordination habe, einfach hierhergefahren.
    Er habe vorerst nicht vorgehabt, länger zu bleiben. Er wolle nur einmal vorbeischauen, habe er gedacht,
solo
ad un salto
, nur auf einen Sprung.
Solo due passi
, habe er gedacht, nur zwei Schritte durch den Ort gehen. Es war Samstagnachmittag, als er hier ankam, Freitagabend war er in Pisa gewesen, für den aufs Wochenende folgenden Montag hatte er einen Flug nach Bukarest gebucht.
    Bukarest?
    Ja, sagte er. Wegen der bevorstehenden Sonnenfinsternis. Die nämlich in Rumänien ihren Höhepunkt erreichen würde. Achtundneunzig Prozent der Sonnenscheibe würden, von dort aus gesehen, vom Schlagschatten des Mondes bedeckt sein! Und das ganze 2 Minuten und 30 Sekunden!
    O Gott, die Sonnenfinsternis, dachte Julia. Der vorzeitige Rummel darum war ihr schon in Österreich auf die Nerven gegangen. Okay, die Sonne würde sich kurz verfinstern und dann wieder leuchten. Ihr leuchtete nicht ein, warum man darum so viel Aufhebens machte.
    Aber Marco hatte was übrig für Himmelsphänomene. Er wäre eigens nach Rumänien geflogen, um dieses Phänomen in seiner ganzen Totalität zu beobachten. Einer Totalität nämlich, die hier in Italien, wo der Schatten je nach Beobachtungsstandort nur zwischen achtzig und neunzig Prozent der Sonne bedecken würde, nicht ganz gegeben sei. Wenn schon totale Sonnenfinsternis, dann wolle er sie auch möglichst total erleben.
    Dafür habe er sich von Anfang August bis Ferragosto freigenommen. Am Freitagnachmittag und den Samstag davor würde er noch den Besuch in Pisa absolvieren, aber dann sollte es losgehen. Er hatte ein Flugticket nach Bukarest gebucht und ein Mietauto bestellt. Beides für Montag, den 2., also schon zehn Tage vor dem Termin der Sonnenfinsternis, denn in den Tagen unmittelbar davor würde der Andrang sicherlich groß sein.
    Mit dem Mietauto wäre er dann in Rumänien herumgefahren, das ja ein schönes und interessantes Land sein solle. Und am 11., kurz nach 11 Uhr, wäre er in Râmnicu Vâlcea gewesen, das sei ein Ort am Südrand der Karpaten. 45 Grad, 5 Minuten nördlicher Breite, 24 Grad, 17 Minuten östlicher Länge. Der Ort, über dem die Sonnenfinsternis sozusagen ihre Klimax erreichen würde.
    Doch dann, als er hier in San Vito umhergestreunt sei und ein wenig um San Vito herum ... Und als er sich an so manches erinnert habe, an das sie sich ja wahrscheinlich auch noch erinnern könne ... Eine Anwandlung von Nostalgie, ja, mag schon sein, Sehnsucht nach etwas Verlorenem, das aber vielleicht, wer weiß, noch nicht ganz und gar verloren sei ... Also, da habe sich etwas ergeben, das ihn dazu bewogen habe, das Flugticket nach Bukarest und die Reservierung für das Mietauto verfallen zu lassen.
    Er habe da nämlich ein Haus gesehen, das zu vermieten gewesen sei. Ein Anschlag an der Tür des Hauses habe darauf aufmerksam gemacht.
Affittasi, casa bellissima, con due piani
. Zu vermieten, wunderschönes Haus mit zwei Etagen.
    Und siehst du, sagte er, das war ein Haus, das mich auf ganz frappante Weise angesprochen hat ... Es ist nicht nur schön, sondern es hat auch ein sehr spezifisches Flair ... Nicht zu vergessen das Ambiente, in dem es steht ... Also, ich könnte mir vorstellen, dass dich

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