Mortimer & Miss Molly
Erinnerung vergleichen konnte. Aber nun würden sie umdrehen, dachte Julia, um zu dem Haus zu gehen, das Marco gemietet hatte, wo immer das war. Doch Marco ging weiter voran, er nahm den Weg an der Mauer entlang. Und dann, vor dem Mauerhaus, warf er Julia kurz einen Blick zu, wieder mit diesem zündenden Funken eines Lächelns in den Augen – und stieg die schmale Treppe hinauf, die zur Eingangstür führte.
Und nun standen sie auf dem kleinen Plateau davor. Da waren sie auch schon früher gestanden, um Fotos zu machen. Und vielleicht hatte das Marco ja auch jetzt im Sinn – wo hatte er bloß die Kamera versteckt? Aber er zog einen Bund Schlüssel aus der Tasche und sperrte die Tür auf.
Nein!, sagte Julia.
Doch, sagte Marco.
Aber wie ...?, sagte Julia.
Hab ich dir doch erzählt, sagte er. Ich hab es gemietet.
Von den Bianchis?, fragte sie.
Nein, sagte Marco. Die haben es verkauft. Vermietet wird es durch eine Agentur im Ort. So einfach ist das.
Und dann stiegen sie die Treppe im Inneren des Hauses hinauf. Und die war vielleicht nicht identisch mit der Treppe, die Miss Molly mit Mortimer hinaufgestiegen war, denn die begann ja unten, im Gewölbe. Doch dann waren sie oben im zweiten Stock, und Marco öffnete das Fenster. Und von da hatte man genau den Blick, den Miss Molly gehabt haben musste, als Mortimer gelandet war.
8
Vorausgesetzt, dass die Geschichte sich wirklich so zugetragen hatte. Die wahre Geschichte von Mortimer und Miss Molly. Aber ist die wahre Geschichte immer die wirkliche Geschichte? Oder andersherum gefragt: Ist die wirkliche Geschichte immer die wahre Geschichte?
Sie
hat
sich so zugetragen, sagte Marco.
So?, sagte Julia. Und woher willst du das auf einmal wissen? Würdest du mir freundlicherweise erklären, was zu diesem neuerlichen Meinungsumschwung geführt hat?
Das hat ja noch Zeit, sagte Marco. Jetzt wolle er ihr zuerst einmal das Haus zeigen.
Das Haus, in das sie sich so oft in Gedanken versetzt hatten. Es sah beinahe so aus wie in ihrem Fantasiespiel. Und da und dort war es doch überraschend anders. Es gab Übereinstimmungen, und es gab Abweichungen.
Hier könnte die Stelle gewesen sein, an der Molly Mortimer aufgefordert hatte, seinen Fallschirm und den ganzen militärischen Ballast abzulegen. Und da das kleine Bad, in das sie ihn dann gleich abkommandiert hatte. Die Wanne war natürlich inzwischen eine andere, fein eingebaut und geschmackvoll gekachelt. Wenn man die Sitzbadewanne nicht einfach entsorgt hatte, war sie wahrscheinlich in einen Trödlerladen gewandert.
Und hier war die Küche mit dem Tisch, an dem sie dann einander gegenübergesessen waren. Mortimer und Molly. Damals, an ihrem ersten, gemeinsamen Abend. Mortimer in Jacke und Hose des Gärtners, die ihm zu eng waren. Und Molly – erinnerst du dich? – hatte Mortimer einen Teller Panzanella und ein Glas Wein eingeschenkt.
Ja, ich erinnere mich.
Eine schöne Szene.
Obwohl sie lang nicht wissen, was sie miteinander reden sollen.
An diesem Tisch. Na ja, vermutlich ist es nicht mehr derselbe Tisch.
Aber die Position ist sicher ähnlich. Man kann einen Tisch hier kaum woanders hinstellen.
Mortimer isst und trinkt, ein wenig wie ein Barbar. Und Miss Molly sieht ihm zu und überlegt, wo sie ihn anschließend betten soll. Und da haben wir auch schon das kleine
soggiorno
. Mit Mollys Lesesofa, auf dem er dann schlafen wird.
Erinnerst du dich? Zusammengerollt wie ein Kater. Während Miss Molly im Nebenraum lange wach liegt ...
Und schon hatte Marco die Tür zu diesem Nebenraum geöffnet.
Et voilà:
Da wartete ein entzückendes Zimmerchen mit Doppelbett.
Hübsch, sagte Julia. Und interessant ... Ich frage mich, wie man so ein breites Bett in diesen schmalen Raum bringt.
In zwei Einzelteilen, lächelte Marco ... Zwei Einzelteile, die dann zusammengefügt werden.
Aber das ist nicht authentisch, sagte Julia. Meiner Erinnerung nach hatte Miss Molly ein Einzelbett.
Però
..., sagte Marco.
Nein, sagte Julia, kein Aber. Gibt es in diesem Haus auch ein Schlafzimmer für Singles?
Auch dieses Zimmer war ein sehr hübscher Raum. Mit kleinen Arkaden und einem Schränkchen, hinter dessen Tür sich ein Waschbecken verbarg.
Schön, sagte Julia. Hier werde ich mich also einrichten. Das heißt ..., falls du mich unter diesen Umständen für ein paar Tage beherbergen willst.
Was für eine Frage!, sagte Marco. Selbstverständlich will ich das.
Gut, sagte Julia. Dann hole ich jetzt meine Reisetasche aus dem Auto.
Natürlich
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