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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch
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wie nun Benny. Ein schüchterner Bub. Er wirkte auch jetzt noch zurückhaltend. Durchaus freundlich, aber nicht sehr gesprächig. Er brachte den Cappuccino und die Crostini, die Julia bestellt hatte, lächelte und ging wieder.
    Beim zweiten Cappuccino fragte sie vorsichtig nach Bruna. Tante Bruna, sagte Alfredo, sei noch am Leben. Sie komme manchmal am Nachmittag vorbei und helfe noch ein wenig in der Küche. Aber sie sei schon ziemlich schwach auf den Beinen.
    Den Kanarienvogel gab es nicht mehr. Aber die Schildkröten waren noch immer da. Es waren sogar noch einige mehr als früher.
E questo cattivo
, sagte Alfredo,
è sempre lo stesso
.
    Der Böse war also immer noch derselbe. Das alte Schildkrötenmännchen, das alle anderen terrorisierte. Der Patriarch.
    Quanti anni ha
, fragte Julia, wie alt ist der?
    Alfredo zuckte die Achseln. Sechzig? Siebzig?
    Und immer noch war er in Sachen Sex unterwegs. In unwahrscheinlichem Tempo hinter den anderen her. Das Ungeheuer, dessen Gesichtsausdruck Marco ehemals so treffend imitiert hatte. Ein bisschen erschreckend, aber auch ziemlich lustig.
    Ach ja, Marco! Julia hoffte doch, ihn zu treffen.
    Wo blieb er? Hatte sie ihn falsch eingeschätzt? Kam er nicht mehr um diese Zeit zum Frühstück?
    Stand er ohne sie vielleicht früher auf und war schon da gewesen?
    Oder frühstückte er in dem hübschen Haus, das er am Telefon erwähnt hatte?
    Alfredo wollte sie lieber nicht nach ihm fragen. Es sollte nicht so aussehen, als ob sie hier auf Marco wartete. Wenn er nicht kommen würde, wäre das peinlich. Nein, sie saß einfach so da und trank inzwischen einen Martini.
    Und dann merkte sie auf einmal, dass an einem Tisch in der anderen Ecke des Gartens ein Mann saß. Ein etwas korpulenter Mann, bartlos, mit einem großen Hut auf dem Kopf. Und dann spürte sie seinen Blick – der Kerl beobachtete, wie sie die Schildkröten beobachtete. Und das fand sie ein bisschen unverschämt oder zumindest indiskret.
    Sì
, sagte er,
fanno sempre l

amore, queste tartarughe.
Ja, diese Schildkröten machen noch immer Liebe. Und das sagte er mit Marcos Stimme. Und da ging ihr auf, dass der Mann, der offenbar schon eine ganze Weile dasaß, Marco war.
5
    Er stand auf und kam auf sie zu. Und dann stand er vor ihr.
    Auch sie hatte sich unwillkürlich erhoben. Und jetzt standen sie einander gegenüber.
    Ein paar Sekunden lang waren sie nicht sicher, ob sie einander umarmen sollten.
    Aus der verzögerten Umarmung wurde dann eine vorsichtig abtastende Berührung.
    Julia!, sagte er.
    Marco!, sagte sie.
    Sempe più bella
, sagte er.
    Das war ein Kompliment, das sie beim besten Willen nicht erwidern konnte.
    Übertreiben wir nicht, sagte sie. Du hast dich ein bisschen verändert. Ohne Bart hätte ich dich fast nicht wiedererkannt.
    Sie setzten sich.
    Tatsächlich musste sie sich erst an den neuen Marco gewöhnen. Sein Gesicht war aus den ihr vertrauten Proportionen geraten. Er hatte einen überraschend kleinen Mund. Und das Kinn wirkte auch nicht gerade bedeutend.
    Ja, sagte er. Manchmal tut es mir, ehrlich gestanden, auch ein bisschen leid um den Bart. Aber er war mir schon ein bisschen zu grau, weißt du. Und wenn das noch ein paar Jahre so weitergeht, habe ich gedacht ... Also, ich will nicht, dass mich die Kinder für
Babbo Natale
halten.
    So war das also. Er wollte nicht, dass ihn die Kinder für den Weihnachtsmann hielten ...
Die
Kinder. Plural.
    Wie viele Kinder hast du denn?, fragte Julia.
    Nur zwei, sagte er.
    Mit der Anästhesistin?
    Ich bitte dich!
    Jedenfalls bist du verheiratet.
    Ich bin geschieden, sagte er.
    Ich auch, sagte sie.
    Pause.
    Er räusperte sich. Aber jetzt sollten wir auf unser Wiedersehen anstoßen! Was hältst du von einem netten Fläschchen Spumante?
    Sekt?, sagte Julia.
    Ja, sagte Marco. Findest du das falsch?
    Dipende
, sagte sie, kommt darauf an. Sie wusste selbst nicht recht, worauf.
    Was rede ich daher?, dachte sie. Sie war ein bisschen nervös. Und ganz froh, dass er, um den Sekt zu bestellen, kurz ins Innere des Lokals verschwand. Sie schwitzte ein wenig unter den Haaren im Nacken. Sie konnte die Zeit nutzen, um sich mit einem Papiertaschentuch abzutupfen.
    Aber da kam er auch schon wieder zurück. Mit federndem Schritt. Trotz seiner paar Kilo zu viel. Nein, er war nicht signifikant dick, da hatte der Kellner, mit dem sie am Telefon gesprochen hatte (ein Kellner übrigens, den sie erst später zu Gesicht bekam, denn er half im nunmehr von Alfredo geführten
Caffè

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