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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch
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gehörte, wenn nicht einem neuen Pächter. Dieser Dicke? Diese Charakterisierung überraschte Julia einigermaßen.
    Ich bin nicht sicher, ob wir denselben meinen, sagte sie.
    Also, wenn Sie den meinen, den ich meine – der war bis vor einer Viertelstunde da.
    Kommt der öfter?, fragte Julia.
    Si
, der kommt öfter. Sollen wir ihm was ausrichten?
    Ja, sagen Sie ihm ... oder nein ..., sagte Julia. Vielleicht sag ich ihm das besser selber.
3
    Am folgenden Vormittag stornierte sie alle für die nächsten Wochen vereinbarten Kliententermine, sprach einen Text auf den Anrufbeantworter, in dem sie lapidar feststellte, dass die Praxis aus privaten Gründen bis zum 1.9. geschlossen sei, packte ein paar Sachen in eine Reisetasche und fuhr. An der ersten Tankstelle an der Südausfahrt tankte sie voll, ließ den Ölstand und den Reifendruck kontrollieren, kaufte noch rasch einen Apfel und zwei Flaschen Mineralwasser und eine Zeitung. Die Zeitung, auf deren Titelseite irgendetwas über die in ein paar Tagen bevorstehende Sonnenfinsternis stand, warf sie auf den Rücksitz, den Apfel und die Mineralwasserflaschen verstaute sie griffbereit neben sich. Und dann reihte sie sich ein in den Korso der nach Süden rollenden Fahrzeuge.
    Sie machte noch Station in Kärnten, an dem See, an dem Benjamin diesen Teil der Ferien mit seinem Vater verbrachte. Karl segelte gern, und Benny, der sich schon sehr erwachsen gab, wurde ihm immer ähnlicher. Sie sahen beide gut aus, braungebrannt, mit von der Sonne gebleichten, flachsblonden Haaren. Ich fahr für ein paar Tage nach Italien, sagte Julia, okay, sagte der Junior, er war im Stimmbruch und daher hörte sich das nicht ganz so cool an, wie es wahrscheinlich sonst geklungen hätte.
    Julia nahm ihn um die eckige Schulter und küsste ihn auf die Stirn. Er war noch etwas kleiner als sie, aber er würde ihr bald über den Kopf wachsen. Seinen Vater küsste sie nicht, aber sie winkte ihm, der sich, als sie ins Auto stieg, um weiterzufahren, schon wieder am Segelboot zu schaffen machte. Dann fuhr sie noch ein Stück am See entlang, der hellblau unter dem sauberen Himmel lag, schon schön, dachte sie, aber sie war froh, dass sie nicht mehr verheiratet war und hier oder an irgendeinem anderen, immer gleich adretten Ort länger bleiben musste, und als sie über die Grenze fuhr, an der es jetzt keinen Aufenthalt mehr gab, lachte ihr das Herz.
    Sie übernachtete in Bologna, in einem Hotel, das ihr von einem Psychologenkongress her, der jetzt auch schon wieder ein paar Jahre zurücklag, in recht angenehmer Erinnerung geblieben war ... Vielleicht hätte sie noch weiterfahren können, aber es hatte ja keinen Sinn, spätnachts in San Vito einzutreffen. Sie wollte dort am Vormittag ankommen, am besten so zwischen zehn und elf. Das war die Zeit, zu der sie und Marco meist im
Caffè Italiano
gefrühstückt hatten.
    Im Traum sah sie sich dann auch schon dort sitzen und warten. Und dann kam Marco herein, mit seiner Windjacke und seiner Baskenmütze und seinem schelmischen Lächeln. Und natürlich erkannte sie ihn sofort. In Wirklichkeit war das dann ein bisschen anders.
4
    Es hatte sich ja auch sonst einiges verändert. Die letzten zwanzig Kilometer vor San Vito fuhr man nun auf einem Autobahnteilstück, das auf plumpen Pfeilern durch die anmutige Landschaft gelegt war. Als Julia sich dem Ort näherte, von dem sie ein bestimmtes Bild im Herzen trug, ein Bild, auf dem sie zuerst den Turm der Collegiata und die mit sicherem Instinkt für ästhetische Wirkung gesetzten Zypressen sah, standen diesem ersten, schönen Blick, der sich jetzt und jetzt zwischen den Hügeln auftun musste, eine Reihe von Kränen im Weg. San Vito Nuovo, wo offenbar emsig weitergebaut wurde, war deutlich gewachsen.
    Auch das
Caffè Italiano
sah anders aus als früher. Die Theke, früher rechts, war nach links versetzt worden und hatte eine Verschalung aus glänzendem Aluminium. Und nicht nur die Theke, die ganze Einrichtung präsentierte sich seitenverkehrt. Die Spiegelwirkung des Aluminiums trug noch etwas zu diesem Eindruck bei.
    Hinter der Theke stand ein junger Mann. Der sah Julia an, als hätte er sie schon irgendwann gesehen, und nickte ihr zu, aber ganz sicher war er anscheinend nicht. Ihr ging es so ähnlich. Er kam ihr vage bekannt vor. Erst draußen im Garten dämmerte ihr, dass das wahrscheinlich Alfredo war, Pietros und Brunas ehemals kleiner Neffe.
    Der war damals, als sie das letzte Mal hier gewesen war, ungefähr so alt gewesen

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