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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Boden. Und ich begann zu schreien. Doch als dieser widerliche Limbach merkte, dass sein Vorhaben geplatzt war, floh er in den Flur.«
     
    Konnte man Sojas Bericht getrost nahezu unumschränkt Glauben schenken (bis auf die zufällige Entsendung des Kornetts in Zimmer zehn), so bedurften die Schilderungen der Reginina gewiss einiger Korrekturen. Sonst wäre es schwer zu erklären, warum sie mit solcher Verspätung das ganze »Madrid« zusammengeschrienhatte und warum sie Limbach plötzlich »scheußlich« und »widerlich« nannte, obgleich sie ihm doch früher freundlich gesinnt gewesen war.
    Viel wahrscheinlicher war, dass Limbach selbst, als er im gewaltigen Leib der monumentalen Wassilissa Prokofjewna versank, begriff, dass er am falschen Ort war, sich freistrampelte und die Flucht ergriff, was die Grande Dame mit wütenden Schreien quittierte.
    Wie dem auch sei, der nächste Punkt der Route des nächtlichen Einbrechers war eindeutig belegt. Auf die Schreie hin kam aus Zimmer acht Rasumowski mit einer Lampe in der Hand und erblickte eine den Flur entlang fliehende Gestalt mit einem an der Seite baumelnden Säbel.
    Als Limbach um die Ecke bog, stieß er auf Xanthippa Petrowna. Auch sie, im Nachthemd und mit Lockenwicklern auf dem Kopf, war aus ihrem Zimmer gekommen.
    Hier ihr Bericht:
     
    »Meine ewige Hilfsbereitschaft hat mir einen schlechten Dienst erwiesen. Als ich die Schreie hörte, stand ich auf und schaute hinaus in den Flur. Vielleicht brauchte ja jemand Hilfe? Ein junger Mann kam auf mich zugerannt. Ich erkannte in ihm nicht gleich Ihren Verehrer Limbach. Aber er sagte seinen Namen und faltete flehend die Hände vor der Brust.
    ›Verstecken Sie mich, gnädige Frau! Ich werde verfolgt! Wenn mich die Polizei erwischt, kriege ich mindestens einen Monat Arrest!‹
    Sie wissen ja, ich bin stets auf der Seite derer, die von der Polizei verfolgt werden. Ich ließ ihn ein und verriegelte die Tür, ich dumme Gans! Und was meinen Sie? Der Undankbare begann mich zu belästigen! Ich versuchte, ihn zur Vernunft zu bringen, zündete die Lampe an, damit er sah, dass ich dem Alter nach seine Mutter sein könnte. Aber er benahm sich wie ein Verrückter! Er wollte mirdas Nachthemd vom Leib reißen, jagte mich durchs ganze Zimmer, und als ich schrie und um Hilfe rief, zückte er seinen Säbel! Ich weiß nicht, wie ich das überlebt habe. Eine andere an meiner Stelle würde den Mistkerl vor Gericht bringen, und dann blühte ihm nicht nur Arrest, dann blühte ihm Zwangsarbeit – wegen versuchter Vergewaltigung und versuchten Mordes!‘
     
    Hieran war offenkundig noch weniger wahr als an den Worten von Wassilissa Prokofjewna. Dass Limbach einige Minuten im Zimmer der Lissizkaja verbracht hatte, stimmte zweifellos. Vielleicht war er sogar selbst hineingegangen, in der Hoffnung, dort den Lärm abzuwarten. Doch was die Belästigung anging – das war stark zu bezweifeln. Eher hatte die Lissizkaja selbst Annäherungsversuche unternommen, dummerweise aber die Lampe angezündet, und der arme Kornett war entsetzt vom Aussehen seiner Retterin. Womöglich hatte er nicht den Takt besessen, seinen Abscheu zu verbergen, und das musste Xanthippa Petrowna natürlich gekränkt haben. Wenn sie beleidigt war und vor Wut raste, konnte sie jeden zum Zittern bringen. Elisa konnte sich gut vorstellen, dass der zu Tode erschrockene Wolodja gezwungen war, zum Säbel zu greifen – so wie D’Artagnan auf der Flucht vor einer beleidigten Lady den Degen zückt.
    In den Flur war er in der Tat mit blanker Klinge gestürmt. Dort war bereits ein Häufchen vom Lärm erwachter Schauspieler versammelt: Anton Iwanowitsch Mefistow, Kostja Lowtschilin, Serafima Klubnikina, George Dewjatkin. Beim Anblick des bewaffneten Eindringlings verzogen sich alle bis auf den mutigen George in ihre Zimmer.
    Inzwischen hatte Limbach durch die vielen Wirren gänzlich den Verstand verloren.
    Den Säbel schwingend, stürzte er sich auf den Regieassistenten.
    »Wo ist sie? Wo ist Elisa? Wo habt ihr sie versteckt?«
    George – ein mutiges Herz, aber kein sonderlich heller Kopf – ging rückwärts zur Tür von Zimmer drei und stellte sich davor.
    »Nur über meine Leiche!«
    Doch Limbach war das nun auch egal – dann eben über eine Leiche. Er versetzte Dewjatkin einen Hieb mit dem Säbelgriff, so dass dieser zu Boden sank, und stand vor dem Zimmer, in dem zuvor Soja gewohnt hatte.
    Alles Weitere bedurfte keiner Rekonstruktion, das hatte Elisa selbst beobachtet und

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