Mozart - Sein Leben und Schaffen
Maße von dem Aufenthalt in Paris, der keine der Hoffnungen erfüllte, die Vater und Sohn auf ihn setzten und in dem auch Mozart sich nie behaglich, oft sehr unglücklich gefühlt hat.
Am 23. März 1778 kamen Wolfgang und seine Mutter in Paris an. Die mühselige Reise hatte neuneinhalb Tage gedauert. »Sie (der Vater) können sich leicht vorstellen, was das ist, wenn man von Mannheim und von so vielen lieben und guten Freunden wegreist ... Ich muß sagen, daß alle Kavaliere, die mich kannten, Hofräte, Kammerräte, andere ehrliche Leute und die ganze Hofmusik sehr unwillig und betrübt über meine Abreise waren.« Der schwere Abschied von seiner Geliebten trug auch noch dazu bei, ihn von vornherein gegen Paris einzustimmen, worüber man sich durch einzelne hoffnungsfreudige Aussprüche nicht täuschen lassen darf.
Seine Ahnung betrog ihn nicht. Der Vater, der sonst so gut rechnete, schlug bei seinem Vertrauen auf Grimm nicht an, daß dieser auch älter geworden war, daß er durch seine leidenschaftliche Parteinahme in dem Kampfe um die italienische Oper jetzt auch nur das Ansehen eines Parteimannes hatte, bedachte vor allem nicht, daß sein Wolfgang in keiner Hinsicht die Gewandtheit besaß, Empfehlungen auszunutzen, angeknüpfte Verbindungen weiterzuführen, daß er überhaupt von der Geschäftigkeit nichts sein eigen nannte, die den Vaterin so hohem Maße auszeichnete. Übrigens war das ja auch die einzige Beschäftigung des Vaters gewesen, während dem Sohne alles, was er aufs Geschäftliche verwandte, als verlorene Zeit in seiner eigentlichen Lebenslaufbahn erscheinen mußte. Endlich ist ein Wunderkind eine Sensation; ein Genie dagegen, das seine Anwartschaft auf die Unsterblichkeit erst zu erweisen hat, muß sich seinen Platz mühselig erkämpfen. Ja, was man zunächst sogar für günstig halten mochte, die leidenschaftliche Erregung über musikalische Dinge, die ganz Paris beherrschte, war für Wolfgang ungünstig. Denn einmal galt natürlich die ganze Erregung mehr dem literarischen Skandal als der Kunst, und dann verlangte man, zumal von einem jungen Menschen, daß er sich zu einer der erklärten Parteien schlagen solle. Wolfgang aber wollte ja gerade sich selber zur Geltung bringen, und so jung er war, fühlte er doch deutlich, daß er selber einer sei. Nimmt man noch hinzu, daß dieser ganze Kunststreit mehr von Schriftstellern ausgefochten wurde, daß es vielmehr ein Redekampf, eine ästhetische Zänkerei war, so begreift man doppelt, daß der junge Mozart sich abgestoßen fühlte; denn seiner aus dem Vollen gebenden Schöpfernatur hat das Reden über Kunst nie zugesagt. Auch befand er sich jetzt in einem Zustande, in dem er abwarten mußte. Man kann sich vorstellen, wie er bei seiner unvergleichlichen Aufnahmefähigkeit durch die gewaltigen Eindrücke, die in der letzten Zeit auf ihn eingestürmt waren, beschäftigt war. Hier galt es Augen und Ohren offen zu halten, alles, was sich darbot, zu verarbeiten, sich das der eigenen Natur Zusagende anzueignen. Aber mit irgendeiner Partei mitlaufen, sein eigenes Schaffen in den Dienst einer dieser Parteien stellen, um so durch diese Partei wieder gefördert zu werden, das hätte er als ehrlicher Künstler nicht gekonnt, selbst wenn es seinem Charakter nicht so ganz fern gelegen hätte. Er war in der italienischen Opernschule groß geworden, hatte in München und Mannheim die Versuche, ein nationales Singspiel, eine deutsche Oper zu gründen, mit Begeisterung begrüßt, hatte dann doch die Schwächen in den Kompositionen Holzbauers und Schweitzers so stark empfunden, daß er wieder zweifelhaft geworden war. In Paris war er überdies geradezur Zeit der höchsten Spannung und der Unsicherheit vor der Entscheidung eingetroffen. Er sah hier die ausgebildete »nationale« Kunst in Singspiel und großer Oper, die dank ihrer dramatischen Wahrhaftigkeit ihren Eindruck nicht verfehlen konnte. Dazu Glucks überzeugende Ausdrucksgewalt tragischer Herzenskonflikte. Aber anderseits war gerade Gluck mit seiner »Armide« durch des Italieners Piccini »Roland« übertrumpft worden.
Wolfgang mußte diesen zahlreichen Eindrücken gegenüber fühlen, daß, wenn er auf seinem Selbst beharren wollte, er sich möglichst fern von aller persönlichen Beeinflussung halten mußte. Gluck war ja nicht mehr in Paris, als er hinkam. Aber auch den Verkehr mit Piccini, auf den ihn Grimm immer verwies, beschränkte er auf den notwendigen Höflichkeitsaustausch; Bekanntschaft schloß er
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