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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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unkünstlerisch. Wenn es dabei trotzdem einigen Musikern gelungen ist, unvergänglich Schönes zu schaffen, so ist das eben trotz der gewählten Form geschehen.« (Musikgesch., S. 561.)
    Wir haben noch kurz Glucks Pariser Tätigkeit zu schildern. Es ist für den traurigen Zustand der damaligen deutschen Kultur bezeichnend, daß keines der Reformwerke Glucks in deutscher Sprache auf die Bühne kam. Die drei ersten kamen zwar im deutschen Wien heraus – » Orfo ed Euridice « 1762, » Alceste « 1767, » Paride ed Elena « 1770 –, aber in italienischer Sprache; die späteren Werke haben französische Dichtungen. Wir wollen daran denken, daß auch Richard Wagner nach Paris ging, weil er dort eher durchzudringen, von dort aus eher sein Vaterland erobern zu können hoffte.
    Auch Gluck erkannte bald, daß er in Deutschland nichts würde erreichen können und ließ sich von dem Bailly der französischen Gesandtschaft, seinem Freunde du Roullet, gern überzeugen, daß er gerade das besitze, was die Franzosen von der Oper verlangten: dramatische Schlagkraft, Stärke des Ausdrucks, Lebendigkeit und Pathos des Vortrags. Roullet ließ der Anregung die Tat folgen und schuf Racines Tragödie » Iphigénie en Aulide « zur Oper um. Gluck nahm sofort die Komposition auf, die im Spätsommer 1772 im wesentlichen vollendet war.
    Daß Gluck aber keineswegs die Absicht hatte, nun in der französischen Oper unterzutauchen, daß er das Gefühl hatte, etwas Neues und ganz Persönliches zu bringen, beweist jener Brief vom Februar 1773 an den » Mercure de France «, in dem er als seinen Lieblingsgedanken verkündet: »eine allen Nationen zusagende Musikzu schaffen und dadurch den lächerlichen Unterschied der Nationalmusiken verschwinden zu lassen«. Auch sonst wahrte sich Gluck alle Freiheit. Er bekannte sich als Anhänger der Rousseauschen Philosophie. Aber Rousseau war Bekämpfer der französischen Nationaloper. So hatte Gluck in Paris alle zu Gegnern. Zum Teil schon, weil er ein fremder Eindringling war. Im übrigen aber sahen die Nationalisten in ihm den Anhänger Rousseaus; die Liebhaber der italienischen Musik witterten in ihm den Fortsetzer der Oper Lullys und Rameaus; dazu kam dann noch der »Dieu de la dansé« , der »große« Gaetano Vestris, dem Zahl und Art der eingelegten Tänze nicht genügten.
    Wie schier hundert Jahre später Richard Wagners »Tannhäuser durch Hofbefehl in der »Großen Oper« zur Aufführung durchgesetzt wurde, so setzt Glucks »Iphigenie in Aulis« durch das Eintreten der Kronprinzessin Marie Antoinette, die ihres früheren Lehrers Partei ergriff. Aber dieses Mal kam es zu einem guten Ende. Der Erfolg, den »Iphigenie« bei der Erstaufführung am 19. April 1774 gewann, verstärkte sich bei den Wiederholungen. Als wunderbarste »Bekehrung« nennt Baron Grimm den Übergang Rousseaus zur Partei Glucks, der bewiesen habe, daß auch bei Wahrung aller Rechte des Dramatischen die Musik nicht zu kurz kommen brauche, selbst wenn manche schöne musikalische Form aufgegeben werden müßte. Auch die Vernünftigen unter den Anhängern der überlieferten Nationaloper sahen in Gluck den Fortschritt oder die gesunde Weiterentwicklung über Lully und Rameau hinaus.
    Im übrigen aber tobte der Streit heftiger als je um den Kernpunkt des Ganzen: italienische Musikoper oder Drama in Musik. Sobald Gluck, der durch französische Bearbeitungen des »Orpheus« und der »Alceste« den ersten Erfolg noch verstärkt, damit aber auch den Kampf verschärft hatte, im Frühling 1775 nach Wien zurückgekehrt war, setzte die italienische Partei die Berufung des besten damaligen Vertreters der italienischen Oper, Nicola Piccini (1728 bis 1800), durch. Marie Antoinette – inzwischen war sie Königin geworden – selbst erließ die Einladung an den italienischen Meister.Es war natürlich, daß in Paris, wo man die verschiedensten Richtungen der Oper hören konnte, die Zahl derer wuchs, die sich nicht in Theorien verrannten, sondern der Überzeugung waren, daß die scheinbar so feindlichen Gattungen nebeneinander bestehen und vor allem auch nebeneinander genossen werden könnten.
    Mit Piccini, der 1776 mit seiner Familie endgültig nach Paris, wo er auch gestorben ist, übersiedelte, hatte man eine sehr gute Wahl getroffen. Er stammte zwar aus dem Neapolitanischen, wo sich für die Oper die völlige Überwucherung des Dramatischen durch Musik vollzogen hatte, aber er selber besaß entschieden echtes dramatisches Empfinden; und zwar

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