Mozart - Sein Leben und Schaffen
Kapellhause aufgenommen zu werden«. Außerdem waren diese beiden schlechte Schauspieler. So konnte Mozart hier weder die volle Kunst der alten Opera seria entfalten, noch weniger aber in neuartiger Weise komponieren. Dagegen hatte er mit den Vertreterinnen der beiden weiblichen Hauptrollen, Dorothea und Liesel Wendling , die über eine vollendete Technik und über volle Jugendkräfte verfügten, keine Schwierigkeiten. So erklärt es sich, daß uns, abgesehen von der Tatsache, daß uns ein Sopranist als Held und Liebhaber wider alles natürliche Gefühl geht, die Arien der Sänger auch vom rein musikalischen Standpunkte aus nicht mehr vollauf zu befriedigen vermögen. Es steckt zu viel rein Formales darin. Bemerkenswert ist es allerdings, wie Wolfgang auch in diesen Stücken durch die Behandlung des Orchesters die Ausdruckskraft zu steigern versucht und dem Ganzen charakteristische Färbung verleiht. Was die Frauen zu singen haben, ist noch heute von unverblichener Schönheit, zumal Ilias Gesänge, deren maßvoll harmonische Empfindungsweise derjenigen Mozarts verwandt war. Viel bedeutsamer als man es in der vorangehenden Zeit gewöhnt war, sind hier die Ensemblesätze. Da ließ sich Wolfgang, der sich sonstalle Mühe gab, den Sängern zu Willen zu sein, nichts dreinreden. Auch von dem hochverehrten Raaff nicht. Der hatte sich vor allen Dingen gegen ein Quartett (3. Akt Nr. 21) ausgesprochen. Es sei darin keine Gelegenheit, die Stimme zur Entfaltung zu bringen. »Als wenn man«, schreibt Mozart (27. Dez.), »in einem Quartett nicht viel mehr reden als singen sollte! – Dergleichen Sachen versteht er gar nicht. Ich sagte nur: ›Liebster Freund, wenn ich nur eine Note wüßte, die in diesem Quartett zu ändern wäre, so würde ich es sogleich tun, allein ich bin noch mit keiner Sache in dieser Oper so zufrieden gewesen, wie mit diesem Quartett; und hören Sie es nur einmal zusammen, so werden Sie ganz anders reden. Ich habe mir bei Ihren zwei Arien alle Mühe gegeben. Sie recht zu bedienen, werde es auch bei der dritten tun und hoffe, es zustande zu bringen, aber was Terzetten und Quartetten anbelangt, muß man dem Kompositeur seinen freien Willen lassen.‹«
In der Tat gehört dieses Quartett zu den größten Meisterwerken dramatischer Ensemblesätze, die wir besitzen. Musikalisch ist es gewiß an sich sehr unbequem, ein Quartett für drei Sopran- und eine Tenorstimme zu schreiben; aber in musikalisch formaler Hinsicht gab es für Mozart ja überhaupt keine Hindernisse. Im Gegenteil gewann er diesen Verhältnissen besonders reizvolle Klangwirkungen ab. Bedeutsam ist, wie hier jeder der vier verschiedenen Charaktere durchaus seinem Charakter und seiner eigentümlichen Empfindung gemäß singt und dennoch das Ganze zur harmonischen Einheit ausgeglichen wird. Den dramatischen Höhepunkt bilden die Chöre . Der erste (Nr. 5), der den Schiffbruch des Idomeneo darstellt, erscheint als Doppelchor; beide nur für Männerstimmen, von denen der eine vierstimmige meist in vollen Akkorden von fernher ertönt, während der nähere zweistimmige in bewegten imitatorischen Formen gehalten ist. Wie diese Chöre gegeneinander geführt und wieder zusammengestellt sind, wie sie mit dem nach Saiten- und Blasinstrumenten scharf geschiedenen Orchester zu einer Gesamtheit verschmelzen, ist von packender Wirkung. Noch gewaltiger sind die beiden Chöre, die den zweiten Akt beschließen. Auchhier wieder ein Unwetter. Das Seeungeheuer steigt ans Land. Das von Entsetzen gepackte Volk stürmt drohend einher. Hier ist die Musik von packender Wildheit in kühnen Dissonanzen und höchster Charakteristik des Ausdrucks. Ebenso ergreifend wirkt der Trauerchor des dritten Aktes, in dem das Volk sein tiefes Mitgefühl mit dem Schicksal des Königshauses zum Ausdruck bringt. Hochdramatisch ist auch die Behandlung des Rezitativs, das in vollkommener Freiheit die bloße Deklamation des Seccorezitativs durchbricht und, zweifellos angeregt durch das Melodrama, die Orchesterstimmen zur Erhöhung der Ausdruckskraft in ausgiebiger Weise verwertet.
In dieser Behandlung des Orchesters liegt überhaupt der großartigste Wert dieses Werkes. Jahn hat recht, daß »in Idomeneo die Orchesterpartie so reich und glänzend und bis ins kleinste Detail sorgfältig ausgeführt ist, wie es in dieser Art bei Mozart später nicht wiederkehrt.« Das Orchester war so zahlreich besetzt, daß er aus dem Vollen schaffen konnte: von der Posaune bis zur Pikkoloflöte war auch der
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