Mozart - Sein Leben und Schaffen
auch bei der großen Protektion, die ich dermalen hier habe, für gegenwärtige und zukünftige Umstände gesichert sein, Todesfälle ausgenommen, für welche niemand stehen kann, und welche aber einem Menschen, der ledig ist, keinen Schaden bringen. Doch – Ihnen zuliebe alles in der Welt, – und leichter würde es mir noch ankommen, wenn man doch nur bisweilen auf eine kurze Zeit weg könnte, um Odem zu holen. Sie wissen, wie schwer daß es gehalten hat, dieses Mal wegzukommen, ohne große Ursache ist gar kein Gedanke nicht – es ist zum Weinen, wenn man daran gedenkt.«
Den nur auf sechs Wochen gewährten Urlaub hatte Wolfgang übrigens dieses Mal ohne Schwierigkeiten überschreiten können; denn der Erzbischof war durch den am 29. November 1789 erfolgten Tod der Kaiserin Maria Theresia veranlaßt worden, für längere Zeit nach Wien zu gehen. Wolfgang nutzte die Zeit, um sich, wenn möglich, in München eine Stellung zu verschaffen. Um seine vielseitigeVerwendbarkeit zu beweisen, komponierte er neben der Oper noch andere Werke. So bewährte er sich als Kirchenkomponist in der groß angelegten Komposition eines Kyrie, schuf eine große Serenade für Blasinstrumente, da diese Harmoniemusik damals besonders beliebt war. Ein Quartett für Oboe, Violine, Bratsche und Violincell gab dem Kammermusiker Ramm Gelegenheit, seine Virtuosität leuchten zu lassen. Wir finden es begreiflich, daß er nach dieser Arbeitsleistung und der erfolgreichen Aufführung seiner Oper mit vollen Zügen das lustige Münchener Karnevalsleben genoß. »Ich dachte mir: Wo kömmst du hin? – Nach Salzburg! Mithin mußt du dich letzen« entschuldigte er später dem Vater gegenüber diese »übertriebene« Lustigkeit.
Er sollte nicht mehr nach Salzburg kommen. Am 12. März 1781 erhielt er vom Erzbischof den gemessenen Befehl, sofort nach Wien zu kommen. Nach der durch den Tod der Kaiserin veranlaßten Trauerzeit wurde das gesellschaftliche Leben verdoppelt nachgeholt. Da damals in den vornehmen Kreisen das beliebteste Unterhaltungsmittel die Musik war, konnte der Erzbischof mit seinem jungen Konzertmeister Wolfgang Mozart sich ganz besondere Ehre einlegen.
Nach den damaligen Verhältnissen hätte diese Art, gerade in den vornehmsten Kreisen als Virtuose und Komponist eingeführt zu werden, für Wolfgang von größtem künstlerischem und pekuniärem Vorteile werden müssen, wenn nicht der Erzbischof ihm mit Willen alles zuschanden gemacht hätte. Aus allem ergibt sich, daß der Erzbischof mit ganz besonderem Hasse diesen nun fünfundzwanzigjährigen Künstler verfolgt haben muß. Ich habe schon früher (S. 130 f.) die psychologischen Gründe dafür nachzuweisen gesucht. Sicher hatte sich der Haß des Erzbischofs noch dadurch vermehrt, daß er durch die Verhältnisse gezwungen worden war, Mozart ein zweites Mal anzustellen. Nun hatte der Erfolg in München und die ganze Behandlungsweise daselbst dazu beigetragen, Wolfgangs männliches Selbstbewußtsein zu wecken, und der Erzbischof, der sehr wohl wußte, was er an seinem Konzertmeister besaß, mochte in seiner hochmütigenDespotennatur als das beste Mittel, dieses nach Selbständigkeit strebenden jungen Komponisten Meister zu werden, eine systematische Zurücksetzung und Unterdrückung desselben ansehen.
Wir dürfen nicht vergessen, daß wir uns für die soziale Stellung des Musikerstandes in einer Übergangszeit befinden. Die musikalische Entwicklung hatte es mit sich gebracht, daß den Opernsängern alle Bewunderung galt, daß nur sie gut bezahlt und entsprechend behandelt wurden. Jener für die Entwicklung unserer Instrumentalmusik so außerordentlich segensreich gewordene Zustand, daß fast alle adligen Familien sich ein zuweilen ziemlich großes Hausorchester hielten, war natürlich nur möglich, wenn die Ausgaben für diese Orchester verhältnismäßig gering blieben. Das wurde dadurch erreicht, daß die meisten Mitglieder solcher Hauskapellen gleichzeitig Dienerstellungen hatten. Von den hervorragenden Mitgliedern der Kapelle wurden ja gewiß keine eigentlichen Lakaiendienste verlangt, aber ihre gesellschaftliche Stellung unterschied sich nicht allzusehr von der der übrigen Angestellten. Rechnet man hinzu den Adelstolz, bedenkt man, daß der ärmere Adel ebenfalls auf solche Brotstellung angewiesen war und nun durch doppelten Standesstolz seinen Unterschied gegenüber dem bürgerlichen Gesinde hervorhob, so kann man sich vorstellen, daß es besonders günstiger Umstände bedurfte,
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