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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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Tatsache, daß die Arien eigentlich außerhalb des dramatischen Gefüges stehen. Die vorangehenden Rezitativs enthalten immer bereits alles Wesentliche, die Arie ist nur noch die lyrische Umschreibung des bereits Gesagten. Für Mozart, der in der Melodiebildung als solcher so ungemein ausdrucksreich war, hätte ein Dichter, der die Arien selbst zum Kern der dramatischen Entwicklung zu machen verstand, herrliche Aufgaben geschaffen. Ich glaube, daß gerade hier die Hauptursache für jene Abneigung gegen das Rezitativ zu sehen ist, die Mozart dauernd verblieb. Das Rezitativ gab ihm nicht die Gelegenheit zu voller musikalischer Entfaltung, beeinträchtigte auf der anderen Seite in höchstem Maße den dramatischen Gehalt der Arien. Es ist jedenfalls immer wieder bewunderungswürdig, wie Mozart in diesem »Idomeneo« auf ganz sententiösen und gezierten Arientexten diese echt dramatischen Ausdrucksmelodien gebaut hat. Dagegen ist es ein Verdienst Varescos, daß er die Blutrünstigkeit und die allzu große Häufung von Intrigen beseitigte, die sein Vorbild, die von Danchet gedichtete, von Campra komponierte Oper » Idomenée« (1712) für uns unerträglich machen.
    Der Jephtastoff, wie ihn jetzt die Dichtung zu Mozarts »Idomeneo« zeigt, ist in der antiken Mythologie nur zum Teil begründet,und Varescos Gedicht ist ein Beispiel für die Art, wie man antike Heroengeschichten durch Einfügung von Liebeskonflikten für das 18. Jahrhundert schmackhaft zu machen versuchte. Während Idomeneo, der König von Kreta, nach dem Falle Trojas durch Irrfahrten lange der Heimat ferngehalten wurde, hat sein Sohn Idamante die Regierung übernommen. Zu ihm ist Agamemnons Tochter Elektra, die nach Orests Muttermord vor den Argivern hierher geflohen ist, in Liebe entbrannt. Idamante aber liebt Ilia, eine troische Gefangene, deren Empfinden zwischen dem Haß gegen den Feind ihres unglücklichen Vaterlandes und der Liebe für den edlen Jüngling hin- und hergerissen wird. Schon ist die Flotte Idomeneos in Sicht, als sie erneut durch schwere Stürme ins Meer hinausgeschleudert wird. Da gelobt Idomeneo, Poseidon den Menschen, der ihm zuerst auf dem Lande begegnen wird, zu opfern. So findet er Rettung. Der erste Mensch aber, der ihm begegnet, ist Idamante. Aus dem Gespräch erkennt der Vater seinen Sohn und sieht sich vor dem entsetzlichen Zwiespalt, entweder sein Gelübde zu brechen oder den Sohn zu opfern. Er versucht diesen zu retten, indem er ihn aus dem Lande zu entfernen sucht. Aber die Gottheit scheint auf ihrem Opfer zu beharren. Ein schreckhaftes Ungeheuer entsteigt dem Meere und richtet furchtbare Verwüstungen an. Zwar tötet Idamante das Untier, aber Idomeneo muß doch bekennen, welches Opfer er der zürnenden Gottheit geweiht hat. Gern ist Idamante, der sich nun die Zurückhaltung seines Vaters ihm gegenüber erklären kann, zum Opfertode bereit. Da, angesichts der Gefahr, die dem Königssohn droht, kündet Ilia die heimlich bewahrte Liebe in lautem Geständnis. Sie will das Opfer sein. Den edlen Wettstreit der Liebenden beendet die Gottheit, in deren Tempel eine unterirdische Stimme verkündet, daß sie durch diese treue Liebe versöhnt sei: Idomeneo solle vom Thron steigen und dem mit Ilia verbundenen Idamante die Herrschaft übertragen.
    Wie man sieht, ein Geschehen, das uns Heutigen nur dann Teilnahme abgewinnen könnte, wenn der Schwerpunkt auf die Entwicklung der seelischen Zustände der Hauptbeteiligten gelegt wäre. Mozart hat bis zu einem gewissen Grade das Versäumnis des Textdichterswettgemacht; er hat vor allen Dingen die Verschiedenartigkeit der Liebe in der hingebungsvoll einfachen Natur Ilias und der leidenschaftlichen Elektra scharf herausgearbeitet. Wahrscheinlich wären auch Idomeneo und Idamante blutvoller gestaltet worden, wenn hier der Komponist so frei hätte schalten können wie bei den beiden Frauenrollen. Aber gerade hier sah er sich ins Herkömmliche gebannt.
    In Salzburg hatte er noch von der vollendeten Dichtung die meisten Rezitative und wohl auch die ersten Arien geschaffen, dann eilte er nach München, um dort in steter Berührung mit den Sängern die Musik zu vollenden. Da war denn der alte Raaff so »auf den alten Schlendrian versessen, daß man Blut dabei schwitzen möchte«. Schlimmer noch war es um den Kastraten del Prato bestellt, der »um keinen Kreuzer Methode, keine Intonation, keine Empfindung hatte«, sondern sang »wie etwa der beste unter den Buben, die sich hören lassen, um in einem

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