Mozart - Sein Leben und Schaffen
der italienischen Oper in ein deutsches Werk sehen. Er hatte sich die Möglichkeit geschaffen, seine unvergleichliche Beherrschung aller Formen hier ausleben zu können,jede Form dort und nur dort anzuwenden, wo sie vollkommener Ausdruck wurde. Er war ja hier vollkommen frei. Auch der Text zwang ihn diesmal nicht zur Beibehaltung irgendwelcher italienischer Gewohnheiten. »Zum erstenmal haben in der Entführung deutsche Empfindung, deutsches Gefühl, deutsches Gemüt aus einer echten Künstlerseele durch vollkommene Beherrschung aller künstlerischen Mittel ihren Ausdruck gefunden. Man begreift, daß vor der reichen Fülle und lebendigen Wahrheit einer solchen Erscheinung alles zurücktreten mußte, was sein Heil in Formen suchte, die aus der Fremde entlehnt und nach äußeren Bedingungen gemodelt waren.« (Jahn I, 761.)
Um ein echtes Kunstwert zu schaffen, bedarf es nach Goethe des Zusammenwirkens von Vernunft, Verstand und Empfindung. Aus der Empfindung heraus muß das Kunstwerk temperamentvoll geschaffen werden, die Vernunft muß die kühnsten Ausdrucksmittel beherrschen, der Verstand muß das fertige Kunstwerk auf die Erfüllung der künstlerischen Bedingung hin prüfen, auf daß das Gute gefördert und erhalten werde. In wie hohem Maße Mozart diese Eigenschaften in Verbindung zeigte, beweist jener Brief vom 26. Sept. 1781, in dem er gleich zu Beginn der Arbeit dem Vater Bericht gibt: »Der Zorn des Osmin wird dadurch in das Komische gebracht, weil die türkische Musik dabei angebracht ist. – In der Ausführung der Arie habe ich Fischers schöne tiefe Töne schimmern lassen. – Das › Drum beim Barte des Propheten ‹ ist zwar im nämlichen Tempo, aber mit geschwinden Noten, – und da sein Zorn immer wächst, so muß – da man glaubt, die Arie sei zu Ende das Allegro assai ganz in einem andern Zeitmaße und andern Tone eben den besten Effekt machen, denn ein Mensch, der sich in einem so heftigen Zorne befindet, überschreitet ja alle Ordnung, Maß und Ziel, er kennt sich nicht – und so muß sich auch die Musik nicht mehr kennen. – weil aber die Leidenschaften, heftig oder nicht, niemals bis zum Ekel ausgedrückt sein müssen, und die Musik, auch in der schaudervollsten Lage, das Ohr niemals beleidigen, sondern doch dabei vergnügen, folglich allezeit Musik bleiben muß, so habe ich keinen fremden Ton zum F (zum Ton der Arie), sondern einen befreundeten, aber nichtden nächsten, D minore , sondern den weitern, A minore , dazu gewählt. – Nun die Arie von Belmonte in A-dur : › O wie ängstlich, o wie feurig ‹ wissen Sie, wie es ausgedrückt ist, – auch ist das klopfende Herz schon angezeigt – die Violinen in Oktaven. – Dies ist die Favorite-Arie von allen, die sie gehört haben – auch von mir – und ist ganz für die Stimme des Adamberger geschrieben. Man sieht das Zittern, Wanken, man sieht, wie sich die schwellende Brust hebt, welches durch ein Kreszendo exprimiert ist; man hört das Lispeln und Seufzen, welches durch die ersten Violinen mit Sordinen und einer Flöte mit im Unisono ausgedrückt ist. – Der Janitscharen-Chor ist als solcher alles, was man verlangen kann, kurz und lustig, und ganz für die Wiener geschrieben. – Die Arie von der Konstanze habe ich ein wenig der geläufigen Gurgel der Mademoiselle Cavalieri aufgeopfert. – › Trennung war mein banges Los, und nun schwimmt mein Aug' in Tränen ‹ – habe ich, soviel es eine welsche Bravour-Arie zuläßt, auszudrücken gesucht. – Das › Hui ‹ habe ich in ›schnell‹ verändert, also: ›Doch wie schnell schwand meine Freude‹. Ich weiß nicht, was sich unsere deutschen Dichter denken; wenn sie schon das Theater nicht verstehen, was die Opern anbelangt, so sollen sie doch wenigstens die Leute nicht reden lassen, als wenn Schweine vor ihnen stünden. Nun das Terzett, nämlich der Schluß vom ersten Akt. Pedrillo hat seinen Herrn für einen Baumeister ausgegeben, damit er Gelegenheit habe, mit seiner Konstanze im Garten zusammenzukommen. Der Bassa hat ihn in seine Dienste genommen; Osmin, als Aufseher und der davon nichts weiß, ist, als ein grober Flegel und Erzfeind von allen Fremden, impertinent und will sie nicht in den Garten lassen. Das erste, was ich angezeigt, ist sehr kurz, und weil der Text dazu Anlaß gegeben, so habe ich es so ziemlich gut dreistimmig geschrieben; dann fängt aber gleich das Major pianissimo an, welches sehr geschwind gehen muß, und der Schluß wird recht viel Lärmen machen, und das
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