Mozart - Sein Leben und Schaffen
Komponisten und Akteur entgegenzuarbeiten. Das Zeug, worauf gestickt werden soll, muß weite Fäden haben, und zu einer komischen Oper muß es absolut wie Marli (ein Gittergewebe) gewoben sein.« Aber auch, daß die größere musikalische Ausgestaltung unbedingt ein reicheres Aufgebot der dichterisch-dramatischen Mittelbedinge, erkannte Goethe. Voll ruhiger Überlegenheit und von reifer Erkenntnis sind jene Zeilen, die er in den Annalen dieser Arbeit widmete. »Wer die kleine Oper ›Scherz, List und Rache‹ mit Nachdenken lesen mag, wird finden, daß dazu mehr Aufwand als billig gemacht worden. Sie beschäftigte mich lange Zeit. Ein dunkler Begriff des Intermezzo verführte mich und zugleich die Lust, mit Sparsamkeit und Kargheit in einem engen Kreise viel zu wirken. Dadurch häuften sich aber die Musikstücke dergestalt, daß drei Personen sie nicht zu leisten vermögen. Sodann hat der freche Betrug, wodurch ein geiziger Pedant mystifiziert wird, für einen rechtlichen Deutschen keinen Reiz, wenn Italiener und Franzosen sich daran wohl ergötzen möchten; bei uns aber kann die Kunst den Mangel des Gemüts nicht leicht entschuldigen. Noch einen Grundfehler hat das Singspiel, daß drei Personen gleichsam eingesperrt, ohne die Möglichkeit eines Chors, dem Komponisten seine Kunst zu entwickeln und die Zuhörer zu ergötzen, nicht genugsam Gelegenheit geben ... Man hätte die Theriakbüchsen des Doktors gern beleben mögen, um einen Chor zu gewinnen.« Hier folgt dann jene an den Beginn dieser Betrachtung gestellte Äußerung, daß alles dieses Bemühen, sich im Einfachen und Beschränkten abzuschließen, verloren ging, als Mozart auftrat. Aber das konnte kein Schmerz sein. Die Entführung aus dem Serail »schlug alles nieder«, weil sie eben die Erfüllung war; das gleiche galt von Mozart selber, der, wie wir ja aus vielen anderen Zeugnissen auch wissen, ganz der Musiker war, den Goethe sich ersehnte. Ist es nicht tragisch, daß zur gleichen Zeit unser größter dramatischer Komponist fruchtlos nach einem Operntext, und unser größter Dichter ebenso vergeblich nach dem geeigneten Komponisten für seine Singspieltexte suchte? Wie hemmend hat doch die Schwierigkeit des Verkehrs noch in jener Zeit auch auf den Austausch des Geistigen und Künstlerischen gewirkt! –
Wie der »unmusikalische« Goethe bei seinen Bestrebungen für das Singspiel dem Fachmusiker Kayser mit trefflichem Rate an die Hand ging, so hat auch Mozart, dessen dichterische Tätigkeit sich sonst auch nicht über die für den Hausgebrauch üblichen Gelegenheitsreimereienerhob, für die Entführung aus dem Serail dichterisch das Beste selbst getan. Was C. F. Bretzner (1748-1807) unter dem Titel »Belmonte und Konstanze oder die Entführung aus dem Serail«, eine Operette in drei Akten (Leipzig 1781), geschaffen hatte, war durchaus im gewöhnlichen Singspielcharakter gehalten und so auch von Andre komponiert worden. Das Werkchen behandelt einen in allen Literaturen heimischen Stoff , der in Deutschland gerade damals durch Wielands » Oberon « (1780) allgemein vertraut war. Auch Mozart hatte bereits in der »Zaide« einen ähnlichen Stoff behandelt.
Konstanze , die Verlobte Belmontes , ist mit ihrer Zofe Blondchen bei einer Lustfahrt auf dem Meere von Seeräubern entführt worden und nun in die Gewalt des Bassa Selim geraten, der sie umsonst um ihre Liebe bestürmt. Auch Pedrillo , Belmontes Diener, ist in des Bassa Gewalt und von diesem um seiner Geschicklichkeit willen zum Aufseher seiner Gärten gemacht worden. Pedrillo hat Belmonte benachrichtigt, wo er seine Konstanze zu finden habe. Belmonte unternimmt das Wagnis der Befreiung. Während er Pedrillo sucht, stößt er auf Osmin , den Aufseher des Landhauses, in dem die Gefangenen sich aufhalten, und wird von diesem um so heftiger abgewiesen, als Osmin in wilder Eifersucht auf Pedrillo entbrannt ist, da dieser von Blondchen, die der Bassa Osmin geschenkt hat, begünstigt wird. Doch weiß Pedrillo dem Bassa Belmonte als Baumeister zu empfehlen, so daß nun auch dieser im Landhaus Aufnahme findet. – Der zweite Akt zeigt uns, wie Blondchen schnippisch und dreist mit Osmins plumpen Liebeswerbungen fertig wird, während Konstanze nur mit Mühe des Bassa stürmische Leidenschaft abwehren kann. Es gelingt Pedrillo, Osmin zum Trinken zu verleiten und durch ein Schlafmittel unschädlich zu machen. So können die Liebenden sich endlich sehen und für die kommende Nacht den Fluchtplan beraten. – Der dritte
Weitere Kostenlose Bücher