Mozart - Sein Leben und Schaffen
seiner Kunst. Vor der tragischen Auffassung des Mißlingens seiner äußeren Lebenspläne aber schützte ihn eine wunderbare Natur. Die meisten werden sie Leichtsinn nennen. Gewiß, es war der leichte Sinn des Naturkindes, das sich so geborgen in Gottes Vaterhand weiß, wie die Lilien auf dem Felde, die auch nicht säen und nicht ernten, und denen doch selbst Salomo nicht gleicht in all seiner Pracht. Ja, zwei oder drei Jahre lang seines Lebens, und gerade die letzten, hat auch ihn oft die Sorge schwer gedrückt. Sorge ums nackte tägliche Brot. Ich glaube trotzdem nicht, daß sie allzu schwer auf ihm gelastet hat. Er hatte damals in der Tat die Anwartschaft auf bessere Zeiten fest in der Tasche in der Gestalt der Rechtsnachfolgerschaft auf einen gut besoldeten Organistenposten. Und so handelte es sich für ihn doch nur darum, über eine schwere Zeit, die nach menschlichem Ermessen bald zu Ende gehen mußte, hinwegzukommen. Tragisch kann ich diese Einstellung zum Leben nicht nennen, wenn ich etwa an Richard Wagners schweren Kampf ums Dasein denke. Daß man trotzdem Mozarts Lebensgang so empfindet, liegt daran, daß er die äußere Krönung dieses Lebens nicht mehr erfuhr, daß wir kein äußerlich glänzendes Ende sehen, daß der Tod vielmehr die Hand gerade in dem Augenblick auf ihn legte, als es ihm äußerlich am schlechtesten ging. Das ist aber eigentlich mehr tragisch für die Welt als für denjenigen, den es traf. So wie Haydn es empfand, der aus London schrieb: »Ich war über seinen Tod eine geraume Zeit ganz außer mir und konnte es nicht glauben, daß die Vorsicht so schnell einen unersetzlichen Mann in die andere Welt fordern sollte.« Aber abgesehen von diesem schwerenVerlust, den die Welt zu früh erfuhr, haben auch viele von jenen, die Mozart im Leben nahestanden, bei der Nachwelt dafür gebüßt, daß es ihm äußerlich nicht besser gegangen ist. Zu ihnen gehört zunächst seine
Frau Konstanze.
Mozarts ältester Biograph, Niemetschek, der beide kannte, urteilte über ihren Bund: »In seiner Ehe mit Konstanza Weber lebte Mozart vergnügt. Er fand an ihr ein gutes, liebevolles Weib, die sich an seine Gemütsart vortrefflich anzuschmiegen wußte und dadurch sein ganzes Zutrauen und eine Gewalt über ihn gewann, welche sie nur dazu verwandte, ihn oft von Übereilungen abzuhalten. Er liebte sie wahrhaft, vertraute ihr alles, selbst seine kleinen Sünden – und sie vergalt es ihm mit Zärtlichkeit und treuer Sorgfalt.« An den Vater schrieb er aus den ersten Tagen der jungen Ehe: »Mit einem Wort: Wir sind füreinander geschaffen, und Gott, der alles anordnet, und folglich auch dieses alles also gefüget hat, wird uns nicht verlassen.« Aus seinen Briefen ist keine Stelle beizubringen, daß er jemals anders über seinen Ehebund gedacht hat. Mit vollem Recht hat Konstanze am 29. September 1799 an Breitkopf & Härtel geschrieben: »Ganz vorzüglich charakteristisch ist seine seltene Liebe zu mir, die alle seine Briefe atmen. Nicht wahr, die in seinem letzten Lebensjahr sind ebenso zärtlich, als die er im ersten Jahr unserer Verheiratung geschrieben haben muß?« Zum Beweis dessen hören wir eine Stelle aus einem Briefe vom 7. Juli 1791, also wenige Monate vor seinem Tode: »Nun wünsche ich nichts, als daß meine Sachen schon in Ordnung wären, nur um wieder bei Dir zu sein, Du kannst nicht glauben, wie mir die ganze Zeit her die Zeit lang um Dich war! – ich kann Dir meine Empfindung nicht erklären, es ist eine gewisse Leere – die mir halt wehe tut, – ein gewisses Sehnen, welches nie befriedigt wird, folglich nie aufhört – immer fortdauert, ja von Tag zu Tag wächst; – wenn ich denke, wie lustig und kindisch wir in Baden beisammen waren – und welch traurige, langweilige Stunden ich hier verlebe – es freut mich auch meine Arbeit nicht, weil gewohnt, bisweilen auszusetzen und mit Dir einpaar Worte zu sprechen, dieses Vergnügen nun leider eine Unmöglichkeit ist – gehe ich ans Klavier und singe etwas aus der Oper, so muß ich gleich aufhören – es macht mir zu viel Empfindung – Basta! – wenn diese Stunde meine Sache zu Ende ist, so bin ich schon die andere Stunde nicht mehr hier ...«
Ob eine Ehe glücklich ist, müssen doch schließlich die dabei zunächst Beteiligten am ehesten wissen. Daß Konstanze die Größe, die künstlerische Einzigartigkeit ihres Mannes begriffen habe, ist ausgeschlossen, obwohl sie sicher von seiner künstlerischen Bedeutung überzeugt war. Denn das waren
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