Mozart - Sein Leben und Schaffen
geschaffen.
Die geschichtliche Bedeutung Leopold Mozarts beruht auf seinem 1756, also im Geburtsjahr seines großen Sohnes erschienenen » Versuch einer gründlichen Violinschule «. Das war der erste gelungene Versuch einer Violinschule; sie blieb auf lange Zeithinaus, wie die vielen Auflagen und Übersetzungen beweisen, die verbreitetste Anweisung des Violinspiels. Noch Zelter urteilt in einem Briefe an Goethe: »Seine Violinschule ist ein Werk, das sich brauchen läßt, solange die Violine eine Violine bleibt; es ist sogar gut geschrieben.« Dieses Lob der guten Schreibart ist wohl verdient und wiegt um so schwerer, als in der damaligen Zeit es sicher nur verschwindend wenige Musiker gab, die über einen so gewandten Ausdruck der deutschen Sprache verfügten, wie der stets von literarischen Interessen erfüllte Salzburger Kapellmeister. Die textlichen Ausführungen sind aber nicht nur gut geschrieben, sondern, was schließlich noch mehr wert ist, von einem edlen, echt künstlerischen Geiste erfüllt. Dieser Mann strebt nirgends nach Blendwerk. Die technische Ausbildung in dem einen Instrument steht für ihn hinter der gründlichen Ausbildung im allgemeinen. Herzhaftigkeit und männliche Empfindung verlangt er vom Spieler. Gesangsmäßigkeit sei das Ziel des Vortrags; »wer weiß denn nicht, daß die Singmusik allzeit das Augenmerk aller Instrumentisten sein soll, weil man sich in allen Stücken dem Natürlichen, soviel es immer möglich ist, nähern muß.« Geradezu verhaßt ist ihm alles äußerliche Virtuosentum; die Technik sei nur Mittel des Ausdrucks. So zeigt das ganze Werk einen gründlichen, aller Halbheit und Untüchtigkeit abholden Mann, der sich von aller nur musikalischen Weichheit fernhält und gründliche Durchbildung des gesamten geistigen Lebens, klares, vernünftiges Denken als unentbehrlich für den wahren Künstler erkannt hat. Wir erkennen, welch vorzüglicher Lehrer dieser Mann für sein geniales Kind sein mußte, um so mehr als er mit aller Hochschätzung des durch Arbeit und Studium zu Erlangenden eine geradezu rührende Ehrfurcht, eine fast heilige Scheu vor dem göttlichen Wunder der wahren Genialität verband. Das offenbart sich am beredtesten in der prachtvollen Bescheidenheit, mit der er selber das Komponieren aufgab, seitdem er bei seinem Sohn erkannt hatte, wie der wahrhaft schöpferische Geist im Menschen schaltet.
Vielleicht war es aber in dieser Zeit geistiger Schläfrigkeit und sittlicher Verlottertheit noch viel wertvoller, daß die Eigenschaften desMusikers Leopold Mozart auch den Menschen auszeichneten. Der Grundzug seines Wesens ist auch hier die unerschütterliche Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue in großen und kleinen Dingen. Das Leben hatte ihn nicht umsonst in eine so harte Schule genommen, hatte ihm aber auch nicht umsonst gezeigt, daß der Mann sein Schicksal selber schmiedet. Er ist unnachsichtlich streng in seinen Anforderungen, gegen sich noch mehr als gegen andere. Er ist abhold allem Scheinwesen und läßt sich durch äußeren Prunk niemals beirren. In dieser Zeit der Knechtseligkeit bewahrt er sich einen aufrechten Sinn, wenn er auch Lebensklugheit genug besitzt, sich äußerlich so weit den Verhältnissen zu fügen, wie es sich mit der Mannesehre verträgt. In Wirklichkeit bedeutete ihm aber vornehme Geburt und hohe Stellung an sich nichts, und er schätzte jeden nach dem ein, was er konnte. Die ruhige Kritik seines klaren, gesunden Menschenverstandes bewahrte er sich auch gegenüber den Vertretern der Kirche, trotzdem er ein kernfrommer, glaubenstreuer Katholik war; oder vielleicht gerade deshalb, denn er hätte sich sonst kaum bei den damaligen kirchlichen Verhältnissen mit seinem scharfen Verstande, der überall die Gebrechen sah, diese völlige Freiheit von allem Aberglauben und diese echte Religiosität und strenge Kirchlichkeit zu bewahren vermocht. Von Natur aus war sicher auch er Humorist und eine echte Frohnatur. Die schwere Lebensentwicklung, die vielfachen Unterdrückungen, die er hatte erfahren müssen, dann die gesamten elenden Zeitverhältnisse haben dieser ursprünglichen Anlage eine andere Richtung gegeben. Er hatte die Menschen zu sehr von ihrer schlechten Seite kennen gelernt und fand nun als Waffe dagegen einen scharfen Sarkasmus; es entwickelte sich in ihm überhaupt die Neigung zum Spott. Er hatte die Überzeugung gewonnen, daß Eigennutz und Selbstsucht die wahren Triebfedern alles menschlichen Handelns seien und erkannte es als
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