Mozart - Sein Leben und Schaffen
seiner Wünsche. Da bricht seine tiefe Sehnsucht nach dem lieben Mädchen leidenschaftlich hervor. Es ist ein feiner Zug bei Mozart, daß der Graf hier wirklich liebt und nicht bloß als »Herr« begehrt. Meisterhaft eint sich seinem schwellenden, stark ausladenden Gesange: »So atm' ich denn in vollen Zügen der Liebe süßes Glück« das verlegen daneben hertrippelnde Motiv Susannens: »Wie schwer wird mir's, zu lügen, doch will es mein Geschick.« Aber ein Hauch genügt, des Grafen Mißtrauen aufs neue zu wecken. Als Susanne ihn verläßt, flüstert sie dem vorbeigehenden Figaro zu: »Dein Prozeß ist schon gewonnen.« Der Graf hört die Worte und erfaßt ihren Sinn richtig zu seinen Ungunsten. So war also das ein Fallstrick?! Wild wallt sein Zorn empor. Gekränkter Stolz, verletzte Liebe – Rache will er nehmen an diesem Knechtsvolk, das vor seinen Augen ein Glück genießen will, das er, der Herr, entbehrt. Seine groß angelegte Arie ist in der Mischung von Qual und Rachelust das Urbild der zahlreichen »Rache«-Arien unserer Oper (Pizzarro, Kaspar, Lysiart). Alle Mittel wird er jetzt anwenden, den Bund der beiden zu zerstören. Als er davoneilen will, nahen die »Verbündeten«: Marzelline, Bartolo und der Richter Curzio mit dem »Angeklagten« Figaro. Der Richter verkündet denUrteilsspruch: Figaro muß Marzellinen entweder seine Schuld bezahlen oder sie heiraten. Als der Graf das Urteil bestätigt, erklärt Figaro gelassen: Ohne die Einwilligung seiner adligen Eltern werde er nicht heiraten. Den Erstaunten erzählt er eine Geschichte von seiner merkwürdigen Auffindung in der Nähe des Schlosses. Als er dabei ein Muttermal am Arm erwähnt, verlangt es Marzelline zu sehen und erkennt in Figaro – ihren und Bartolos Sohn. In den Armen liegen sich alle drei, verärgert stehen Graf und Richter dabei. Verärgert ist zuerst auch Susanne, die das Lösegeld für Figaro aufgetrieben hat und ihn zu ihrem Entsetzen in den Armen Marzellinens erblickt. Aber: »sieh her! meine Mutter, sie sagt es ja selbst.« Nun wollen gleichzeitig mit den Jungen die Alten ihre verspätete Hochzeit feiern.
Als alle den Saal verlassen haben, betritt ihn die Gräfin. Sie ist in Unruhe, wie der Graf Susannens Antrag aufgenommen. Schwer leidet sie unter der niedrigen Rolle, die zu spielen sie gezwungen ist durch des Gatten Schuld. »Nur zu flüchtig bist du verschwunden, freudenvolle, sel'ge Zeit.« Das heiße Flehen um Rückkehr seiner Liebe wird beschwingt durch die Hoffnung, die sie noch nicht aufgegeben hat. Diesem wunderbar elegischen Gesange reiht sich nach Susannens Eintreffen jenes Briefduett an, das im Wechselspiel der von Susanne der diktierenden Gräfin nachgesprochenen Worte den ganzen Duft der mondbeglänzten Zaubernacht zarter Liebe ausströmt. Eine Nadel verschließt den Brief; der Graf soll sie als Zeichen des Einverständnisses zurücksenden.
Inzwischen beginnt Figaros Hochzeitsfeier. Bauernmädchen nahen und überbringen der Gräfin Blumen. Eines der Mädchen wird vom Gärtner Antonio als Page Cherubin entlarvt. Des Grafen Vorwürfe verstummen schnell, als die Gärtnertochter in aller »Harmlosigkeit« ihn an die Versprechungen erinnert, die er ihr bei seinen häufigen Besuchen gemacht hat. Nun naht der Hochzeitszug. Während das Gefolge singt und tanzt, heftet der Graf Susanne den Brautschleier ins Haar. Sie steckt ihm das Briefchen zu. Er sticht sich an der Nadel, liest dann von ihrer Bedeutung, hebt die hinabgefallenewieder auf und wird freudig gestimmt durch Susannens Entgegenkommen. Figaro hat alles beobachtet, weiß aber nicht, wen diese neue Liebesgeschichte angehen mag. Beim Beginn des lustigen Festes fällt der Vorhang.
Die Nacht senkt sich auf den Schloßpark, in dem der letzte Akt spielt. Mit einer Laterne sucht Barbarina emsig die Nadel, die sie im Auftrage des Grafen an Susanne zurückbringen sollte. Ihr lautes Jammern – die Melodie malt mit übertreibender Komik das kindische Schluchzen – ruft Figaro herbei, dem sie alles ausplaudert. Nun schlägt auch in Figaros Herz die Flamme der Eifersucht auf. – Die Lösung, zu der das Ganze drängt, wird durch zwei »Pflichtarien« Marzellinens und Basilios hingehalten, die lediglich der früheren Sitte, daß jeder Solist wenigstens eine Soloarie haben mußte, ihr Dasein verdanken und heute besser wegfallen, obwohl Basilios Arie von der Eselshaut mit ihren ausgezeichnet charakterisierenden Tonmalereien im Munde eines guten Tenorbuffos starke Wirkung übt. Aber
Weitere Kostenlose Bücher