Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
Vom Netzwerk:
worden wäre, und kaum ein anderes Werk wird es an den verschiedensten Orten im Laufe der Zeit zu einer so großen Aufführungszahl gebracht haben. 1805 kam » Don Giovanni « dann auch auf die Pariser Bühne. 1807 ist er in Dänemark, 1813 in Schweden, dann in Rußland, 1817 in England, 1825 in Amerika aufgeführt worden. Überall, so mannigfache Veränderungen, die immer Schädigungen bedeutet haben, sie sich dabei hat gefallen lassen müssen, hat die Oper jenen schönsten Sieg erfochten, der dauernd wächst; nur nicht in Italien . Hier hat man noch 1857 »die veraltete hyperboreische Musik« ausgepfiffen. Und wenn auch seither die Zahl der einzelnen zugenommen hat, die gleich Rossini gerade aus diesem Werke Mozarts überlegene Stellung erkannten, so hat sich doch in der allgemeinen Kühle des italienischen Volkes diesem Werke gegenüber nichts geändert. Das bestätigt nur, was wir beim »Figaro« ausführten, daß gerade die Italiener bei der Gleichheit der äußerenForm und der Sprache die unüberbrückbare innere Verschiedenheit stark empfanden.
    »Dieses Stück steht ganz isoliert«, schrieb Goethe über den »Don Juan« an Schiller, als dieser ihm seine großen Hoffnungen ausgesprochen hatte, die er vom Einfluß der Oper für das Drama großen Stils hegte. Das Urteil besteht auch heute nach Richard Wagners Drama noch zu Recht. So sehr durch Richard Wagner die geistige und seelische Bedeutung des Musikdramas dahin gesteigert worden ist, daß wir es als Dichtung gewaltiger Stoffe und nicht bloß als ein In-Musik-Bringen von bereits Gedichtetem betrachten, so ist doch Mozarts »Don Juan« die einzige Oper geblieben, in der ein Problem der Weltliteratur die vollendetste Gestaltung erfahren hat.
    Ein Problem der Menschheit also, das ist der »Don Juan«. Unser vor allem im ersten Erfassen tiefsinniger Probleme genialer Dietrich Grabbe hat das dramatische Gedicht »Don Juan und Faust« geschaffen und darin die Gestalten der beiden entgegengesetzten Menschen zusammengebracht: Faust die Verkörperung der geistigen Kraft, »Don Juan« die Verkörperung der sinnlichen Triebe. Beide sind, so wie wir sie heute empfinden, Erzeugnisse der Renaissance, wenn wir Nietzsches Wort übernehmen wollen, die vornehmsten Vertreter des Herrenmenschentums. Beide sind nur möglich, wenn der Mensch in seinem Dasein die Berechtigung erblickt, sich seinem Wesen gemäß ausleben zu dürfen, ohne Achtung aller jener Schranken, die die Menschheit aus sozialen, ethischen und religiösen Gründen für ihr Leben errichtet hat. Die Wurzeln beider Sagenstoffe senken sich bezeichnenderweise in eine Zeit, die von der Berechtigung dieses freien Menschentums nichts wissen wollte. Wahrscheinlich entstammen sie sogar beide der Klosterzelle. Von Mönchen, die der Welt entsagt hatten, wurden die Keime dieser Sage zur ersten Entfaltung gebracht, freilich nicht um die daraus erblühten Blumen in Schönheit zu hegen, sondern sie als Giftgewächs zu kennzeichnen und zu vernichten. Im Norden wurde der Träger des Forschergedankens zum Chiromanten und Schwarzkünstler Faust, der vom Teufel geholt wird, dem er sichin seinem verbrecherischen Wissensdurst verbündet hatte. Auch der im genußfrohen, alle Fruchtbarkeit und Saftigkeit der Erde entwickelnden Süden erstandene Sinnenmensch Don Juan wird vom Höllenrachen verschlungen, um dort ewig seine Lüste zu büßen. Da Fausts »Sünde« im Geistigen liegt, konnte für ihn auch in der Welt des Geistigen eine »Erlösung« gefunden werden. Weil es das Geistige war, was er suchte, weil er nur aus Sehnsucht nach dieser Geistigkeit fehlte, vermag ihn das Geistige zu sich aufzunehmen, nachdem die körperliche Hülle, durch die er in den Kreis der menschlichen Gesellschaft gebannt war, im Tode von ihm gefallen ist. So konnte Goethes Faust selig werden. Für Don Juan könnte in diesem Sinne eine Erlösung nur aus der Weltanschauung des Materialismus heraus gefunden werden. Ist er Verkörperung der höchsten Kraft der sinnlichen Natur: der Kraft zu zeugen; läßt er schrankenlos diese Kraft sich austoben gleich einer unwiderstehlichen Naturgewalt, so kann es in jener Weltanschauung keinen Untergang für ihn geben, die ein Seelisches nicht annimmt; der Tod bedeutet dann die Erlösung dieses Wesens, dessen Körper sich wieder auflöst in die Natur, eins wird mit jenem Elemente, das so gewaltig in ihm schaltete, daß er dort unmöglich wurde, wo Elementarkräfte unmöglich sind: in der menschlichen Gesellschaft.
    Diese

Weitere Kostenlose Bücher