Mozart - Sein Leben und Schaffen
fortjagen soll. Mit gleißnerischer Unterwürfigkeit versichert er: »Was ich sagte von dem Pagen, war Vermutung, war nur ein Argwohn.« Susanne fällt schier in Ohnmacht vor Angst, gewinnt ihre Fassung aber gleich wieder, als die beiden Männer sie allzu zärtlich stützen und in den Sessel geleiten wollen. Von Gnade für den Pagen will der Graf aber nichts wissen. Gestern hat er ihn bei der Gärtnertochter erwischt, als er den Teppich vom Tisch hob, wie jetzt das Kleid vom Sessel – da –! der Graf ist sprachlos, den Pagen auch hier wieder zu finden; Susanne windet sich in verlegenem Ärger, voll boshaften Hohnes aber wiehert Basilio, jetzt eine Quinte höher, sein: »Was ich sagte von dem Pagen, war Vermutung, war nur ein Argwohn.« Während Susanne sich bemüht, die Anwesenheit des Pagen zu erklären, kehrt sich die Ironie der Lage gegen den Grafen, indem Figaro mit den Dörflern kommt, die ihm ein Huldigungslied als »Beschützer der Unschuld und Tugend« singen – der vierstimmige heitere Chor hat echt volkstümliches Gepräge –, da er das alte, schmähliche Herrenrecht auf die erste Nacht aufgehoben. Figaro will dadurch einen Druck auf den Grafen ausüben, der aber die Vermählung unter dem Vorwand größerer Vorbereitungen hinauszögert, weil er durch Marzellinens Einspruch bei Susanne zu seinem Ziel zu gelangen hofft. Um den Pagen, dernun zum Mitwisser seiner Bewerbungen um Susanne geworden ist, auf eine schöne Weise loszuwerden, ernennt er ihn zum Offizier unter der Bedingung, daß er sofort zum Regiment abreise. Als die andern fort sind, sucht Figaro ihm den Abschied durch eine launige Schilderung des Soldatenlebens zu erleichtern. Die Arie »Dort vergiß leises Flehn« ist in der herrlichen Linienführung der mit den einfachsten Mitteln aus dem gebrochenen C-dur-Dreiklang und dem dazu gehörigen Dominantakkord geschaffenen Melodie eine der genialsten Eingebungen Mozarts, weshalb doppelt zu bedauern ist, daß die deutsche Übersetzung so wenig das im Original meisterhaft durchgeführte Zusammengehn von Wort und Ton wahrt. In Figaros Gehirn aber entspringen schon neue Pläne, des Grafen Absichten zu durchkreuzen; vor allem darf der Page nicht auf der Stelle abreisen. –
Der zweite Akt führt in ein Zimmer der Gräfin und bringt damit einen Stimmungswechsel. Die Gräfin, die ihrem Gatten in inniger Liebe anhängt, leidet schwer unter seiner Vernachlässigung. Ihre liebesbange Schwermut kommt in der wundervoll geschwungenen Melodielinie einer kleinen Kavatine: »Heil'ge Quelle reiner Triebe« zum Ausdruck, der durch die satten Farben der mit dem Streichkörper innig verbundenen Blasinstrumente etwas schwerblütiges, lyrisch Feierliches erhält. Aber bald wird die Gräfin ihrer traurigen Stimmung entrissen. Sie müßte nicht die lustige Rosine von ehedem sein, wenn sie nicht an einem kleinen Intrigenspiel gegen den Grafen teilnähme, zumal es doch nur dem Wiedergewinn des geliebten Mannes gilt: der Herr Graf ist auf seine Frau eifersüchtig. Das sucht Figaro zu nutzen. Er hat dem Grafen durch Basilio ein Briefchen zustecken lassen, daß seine Gattin am Abend ein Stelldichein haben werde. Gleichzeitig soll ihm Susanna scheinbar eine Zusammenkunft gewähren, an ihrer Stelle aber Cherubin in Frauenkleidern ihn erwarten. Der Graf werde, von seiner Gattin überrascht, aus dem peinlichen Hereinfall seine Lehre ziehen. Figaro eilt davon, den Pagen zu holen, damit er für seine Rolle vorbereitet werde. Cherubin kommt. Mozart hat diesen Jungen in den vollen Zauber der eben erblühten Schönheit des Jünglings gekleidet. Die verliebte Stimmung Cherubinshat etwas Bestrickendes für jede Frau, die mit ihm zu tun hat, um so mehr, als er noch so jung ist, daß die Frauenlaune noch mit ihm ungefährdet spielen zu können vermeint. Wer aber sollte auch dem in Wohllaut schwelgenden Liede Cherubins widerstehen können, wenn er in seinem zwischen Pein und Lust schwankenden Seelenzustand Erlösung sucht. »Ihr, die ihr Triebe des Herzens kennt.« Gitarreartig zupfen die Geigen zur süßen Sehnsuchtsweise; die Flöte seufzt, die Oboe schwärmt, die Klarinette singt, das Fagott schmachtet dazu, und zuweilen klingt wie lockendes Träumen ein Hornruf hinein. Da sollen Frauenherzen nicht gerührt werden. Die Gräfin versinkt in verliebtes Sinnen, während Susanne den Pagen für sein Auftreten am Abend hofmeistert. Ein köstliches Spiel zwischen diesen schönen, lebensprühenden Menschen. Hab acht, Susanne! Da es die Geigen uns
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