Mozart - Sein Leben und Schaffen
ausgeschlossen. Aber es fehlt das zweite Beispiel für den geradezu heiligen Ernst, mit dem der Vater nun die Ausbildung dieser Gaben in die Hand nahm. Daß die Erziehung dieses Kindes sein wahrer Beruf sei, erfaßte er in einer tiefen Religiosität, in der sich das freudigstolze Dankempfinden des Erzeugers dieses »Wunders Gottes« mit einem schweren, Entsagung und Opfer heischenden Verantwortungsgefühl verband. Nur dem glücklichen Umstand, daß ein so seltenes Gut in eine ebenso seltene treue Hut gegeben war, danken wir die wunderbare Entfaltung Wolfgang Mozarts.
2. Die Weltreise des Wunderkindes
»Das größte Naturwunder des Jahrhunderts darf nicht unbeachtet im Salzburger Winkel bleiben; meine Pflicht ist es, der Welt das Wunder Gottes zu zeigen.« In dieser Gesinnung entschloß sich der Vater, als Wolfgang sechs, die Schwester elf Jahre alt war, sein ruhiges Salzburger Leben aufzugeben und in die Welt hinauszuziehen, die ihm bis dahin auch unbekannt geblieben war. Wir sind auch über diese Kunstfahrten, trotzdem die ganze Familie Mozart daran teilnahm, gut unterrichtet durch die Berichte des Vaters an den Kaufmann Lorenz Hagenauer, in dessen Hause er damals wohnte. Hagenauer war mit seiner ganzen Familie den Mozarts in echter Freundschaft zugetan und unterstützte den Vater vor allem in Geldangelegenheiten.Daraus erklärt es sich, daß der äußere Erfolg in diesen Briefen mehr Erwähnung findet, als es sonst wohl in des alten Mozart Art gelegen hätte. Im übrigen hat auch hier die Schwester sorgsam eine Fülle von Erinnerungen aufbewahrt, die sie in ihrem bereits erwähnten Bericht an Schlichtegroll gegeben hat. (Gedruckt in Nottebohms »Mozartiana« 1880.)
Die erste, im Januar 1762 unternommene Reise führte nach München , wo sie drei Wochen blieben und erreichten, daß die Kinder vor dem Kurfürsten spielen konnten. Der große Erfolg ermutigte den Vater zur Reise nach Wien, die am 18. September desselben Jahres angetreten wurde.
Schon unterwegs brachten die Aufenthalte allerlei Erfolge. In Passau, wo sie auf Veranlassung des Bischofs fünf Tage blieben, bekamen sie auch bereits einen Vorgeschmack von der Noblesse deutscher Edler in pekuniären Dingen, denn das Honorar betrug einen ganzen Dukaten. Im Kloster Ips spielte der Knabe auf der Orgel zum Erstaunen der Mönche; in Wien bezauberte der kleine Orpheus mit seinem Geigerl die Zollbeamten derart, daß sie der ganzen Familie keinerlei Schwierigkeiten machten. Von Wien aus konnte der Vater bald rasche Erfolge melden; auch seinen Hauptzweck, an den kaiserlichen Hof zu gelangen, erreichte er überraschend schnell, denn fast alle Mitglieder der kaiserlichen Familie waren sehr musikalisch. Bereits am 13. September konnte der Vater seine Kinder in Schönbrunn vorstellen, und zwar im engen Familienkreise. »Hauptsächlich erstaunt alles ob dem Buben, und ich habe noch niemand gehört, der nicht sagte, daß es unbegreiflich sei.« Das kaiserliche Paar und die Prinzessinnen behandelten die Familie geradezu freundschaftlich, und der Wolferl fühlte sich in ihrem Kreise wie zu Hause. Er hat von dieser Zeit an in seinem liebevollen und dankbaren Herzen dem Kaiserhause eine geradezu persönliche Treue bewahrt, die auch dann nicht vermindert wurde, als er vielfache Zurücksetzungen erfahren hatte. Doch das widerfuhr erst dem Meister. Das Kind fand eitel Liebe. In einzelnen Kunststücken, wie zum Spielen mit einem Finger oder bei verdeckter Klaviatur reizte der Kaiser den kleinen Hexenmeister selberan. So gern dieser aber auch auf alle Scherze einging, so ernsthaft blieb er, sobald es darauf ankam, ernst zu musizieren. Er wollte nur vor Kennern oder wahrhaften Liebhabern spielen, ein Charakterzug, den er zeitlebens behalten hat, wie ihm ja auch niemals ein Lob deshalb Eindruck gemacht hat, weil der Spender desselben eine hohe Stellung in der Welt einnahm, wogegen er sich auch als vollkommener Meister noch herzlich freute über jede Anerkennung, die ihm von Menschen zuteil wurde, bei denen er echtes musikalisches Empfinden gefunden hatte. So beharrte er auch einmal darauf, als er beim Kaiser Franz spielte, daß der treffliche Klavierspieler und Komponist Georg Christ. Wagenseil (1715–1777) an seine Seite treten mußte. Im übrigen war er ein echtes Kind, das sich unbefangen benahm und durch seine Kindereien natürlich erst recht die vornehme Gesellschaft bezauberte. »Alle Damen waren in den Buben verliebt«, und man riß sich in der vornehmen Welt um die
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