Mozart - Sein Leben und Schaffen
sich der brave Vater darüber gefreut haben, daß er seine Kinder trotz der mehrfachen Krankheiten unterwegs gesund an Körper und Seele zurückbrachte. Der unverdorbene und echt kindlich gebliebene Sinn Wolfgangs betätigte sich in den heimatlichen Mauern wieder in der altgewohnten Weise. Er war eben kein Wunderkind im gewöhnlichen Sinne des Wortes, das die Frühreife des Geistes mit Blasiertheit büßt, sondern schlechthin ein Wunder.
3. Heimatliches Intermezzo
Kurz vor der Heimkehr hatte der Vater an Freund Hagenauer geschrieben: »Es kommt darauf an, daß ich zu Hause eine Existenz habe, die besonders für meine Kinder zweckgemäß ist. Gott (der für mich bösen Menschen allzu gütige Gott) hat meinen Kindern solche Talente gegeben, die, ohne der Schuldigkeit des Vaters zu denken, mich reizen würden, alles der guten Erziehung derselben aufzuopfern. Jeder Augenblick, den ich verliere, ist auf ewig verloren, und wenn ich jemals gewußt habe, wie kostbar die Zeit für die Jugend ist, so weiß ich es jetzt. Es ist Ihnen bekannt, daß meine Kinder zur Arbeit gewöhnt sind: sollten Sie aus Entschuldigung, daß eins oder das andere z. B. in der Wohnung und ihrer Gelegenheit sie verhindert, sich an müßige Stunden gewöhnen, so würde mein ganzes Gebäude über den Haufen fallen. Die Gewohnheit ist ein eisern Pfad (Hemd), und Sie wissen auch selbst, wieviel mein Wolfgang noch zu lernen hat. Allein, wer weiß, was man in Salzburg mit uns vor hat! Vielleicht begegnet man uns so, daß wir ganz gern unsere Wandelbündel über den Rücken nehmen. Wenigstens bringe ich dem Vaterlande, wenn Gott will, die Kinder wieder. Will man sie nicht, so habe ich keine Schuld. Doch wird man sie nicht umsonst haben.«
Es war nicht nur die Lebensklugheit, die Leopold Mozart verbot, in Salzburg die Gelegenheit, für seine Kinder etwas zu erwerben, ungenützt vorübergehen zu lassen, sondern wohl noch mehr die Überzeugung, daß in den kleinen Verhältnissen daselbst der rechte Boden für die künstlerische Entwicklung nicht vorhanden war. Dagegen konnte ihm ebensowenig verborgen bleiben, daß ein zeitweiliges Ausruhen in gefestigter Häuslichkeit für das Gedeihen der ihm anvertrauten Kinder – so faßte er ja seine Lebensaufgabe auf – nur von günstigem Einfluß sein konnte. Allerdings gehörte dazu, daß die Lebensverhältnisse daheim erträgliche waren, nicht nur in pekuniärer Hinsicht, sondern auch in den Anforderungen des Amts und in der ganzen Tonart. Gerade daß in dieser letzteren Hinsicht berechtigte Wünsche nichterfüllt werden würden, daß es da viel zu Reibereien und peinlichen Verhältnissen kommen würde, konnte dem klugen Vater nicht verborgen bleiben. Nicht umsonst hatte er von seinen Reisen oft betont, daß er nur mit vornehmen und gebildeten Leuten zu tun habe, und er hatte da doch auch eine gesellschaftliche Behandlung erfahren, die weit von der Art abstach, wie sie in der kleinen Residenz daheim einem abhängigen Manne zuteil wurde. Er mußte vorausahnen, daß man nun zu Hause den weitgereisten Mann, der so viele Triumphe in der Fremde gefeiert hatte, in kleinlichem Neid erst recht seine Abhängigkeit würde fühlen lassen. Ebenso konnte er darauf gefaßt sein, bei der Bürgerschaft alles eher als verständnisvolle oder gar freudige Teilnahme für seinen Wundersohn zu finden. Wie sehr sich in späterer Zeit die Befürchtungen Leopold Mozarts als berechtigt erwiesen, werden wir noch hinlänglich erfahren. Es ist dahin gekommen, daß Wolfgang, der auf dieser Reise noch manchmal aus Heimweh nach der Vaterstadt in Tränen ausgebrochen war, keinen Ort auf der Welt so ingrimmig haßte, wie gerade das schöne Salzburg. Jetzt war es aber noch weit davon. Der Knabe war ja noch ein glückliches Kind, und der Vater war klug und geschickt genug, alles von ihm fernzuhalten, was ihm vorzeitig einen Blick in das gemeine Getriebe der Welt eröffnet hätte.
Beinahe ein ganzes Jahr haben sie nun ruhig in Salzburg verbracht. Des Vaters Lehrprogramm war, unter Beibehaltung der hohen Fähigkeiten im Technischen und Mechanischen, die gründliche Ausbildung in der Kompositionslehre. Er hatte des alten Fux » Gradus ad pernassum « gründlich durchstudiert und unterrichtete seinen Sohn nach diesem großen Vorbilde in den Regeln des strengen Satzes. Zunächst wollte man nun auch daheim einen Beweis davon haben, daß der kleine Wolferl, der als Klavierspieler weggegangen, inzwischen ein Komponist geworden sei. So wurde ihm für den
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