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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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uns schaffen könnten, die durch die Notwendigkeit des Kampfes in der Heimat zu erreichen uns unmöglich wird. Man denke an die Art, wie der auf germanischem Boden entwickelte kontrapunktische Stil, den auch in Italien selbst vorwiegend niederländische Meister gepflegt hatten, schließlich durch Palästrina die Ausgestaltung zur höchsten Schönheit und durchsichtigen Klarheit erfuhr. Man bedenke, daß ein Goethe nach Italien mußte, um die Abklärung zu erreichen, die er anstrebte; daß der urgermanische Böcklin erst in Italien die Gebilde seiner neuschöpfenden Phantasie, die er im nordischen Kampf der Elemente erschaut hatte, zu gestalten vermochte.
    Und nun die neue Musik. Die begleitete Monodie war ihre eigentliche Errungenschaft; sie barg die Möglichkeit der freien musikalischen Aussprache eines persönlichen Empfindens. Rein musikalisch betrachtet bedeutet das den Sieg des melodischen Prinzips in der Musik, eine Kraft des Gestaltens, die sich zuvor nirgendwo so mächtig erwiesen hatte, wie in den Volksliedern der germanischen Völker. Es waren erst die eigentlichen Südländer, die Neapolitaner, die aus der Oper eine rein formale Virtuosenkunst, ein technisches Schönheitsspiel gemacht hatten. In Norditalien, bei Claudio Monteverdi, bei den Venetianern war die Oper charakteristische Verkündigung seelischen Erlebens gewesen. Der in der Form der italienischen Oper die höchste seelische Kraft zum Ausdruck brachte, war ein Deutscher: Händel. Aber bei ihm, wie bei so manchen anderen Deutschen, den die Italiener als caro maestra feierten (Hasse, Graun, Naumann, Gluck) kam dieser deutsche Charakter wider Willen zum Vorschein. Erst Mozart erreichte hier, was Goethe für die Dichtung, was Böcklin in der bildenden Kunst verwirklichten: bewußt deutsches Empfinden in höchster Vollendung auszusprechen durch bewußte Verwendung der im Süden zur sonnigen Schönheit vollendeten Formengebung. Bei Mozart tritt diese Entwicklung nicht so deutlich hervor, weil bei ihmvon einer Sturm- und Drangperiode nichts zu merken ist. Aber man muß in Mozarts Briefen verfolgen, wie in ihm menschlich und künstlerisch das Deutschbewußtsein immer klarer und stärker wird. Außerdem bedenke man, wie er erst das deutsche Singspiel »Die Entführung aus dem Serail« und seine unitalienische Instrumentalmusik schuf, bevor er wieder, durch die äußeren Verhältnisse gezwungen, »italienische Opern« gestaltete. Aber warum empfanden die Italiener »Figaros Hochzeit« und »Don Juan« als gegnerische Musik? Sie fühlten also offenbar, daß hier eine deutsche Künstlerkraft gestaltet hat. In der Tat hat gerade Mozart den Einfluß des wirklich Italienischen auf die deutsche Musik endgültig gebrochen, indem er die sinnliche Schönheit der Form aus deutschem Geiste gewann, genau wie Goethes »Iphigenie« und »Tasso« den Bann des klassischen Altertums dadurch brachen, daß hier die klare Schönheit der Antike als natürlicher Ausdruck deutschen Empfindens gewonnen war. –
    Immerhin, es bleibt als große Bedeutung Italiens für die deutsche Kunst bestehen, daß deutsche Künstler hier die höchste Schönheitsgestaltung fanden. Und das ist ein Verdienst Italiens und der Italiener. Denn wie man auch über die eigentlich schöpferische Kraft Italiens denken mag, eins muß man ihm lassen. Es hat zu verschiedenen Zeiten verstanden, die Kultur der Kunstempfänglichkeit zu einer Höhe zu steigern, wie sie sonst nur das klassische Griechenland gekannt hat. Dieses Kunst-Genießen-Können ist aber vom Kunstschaffen keineswegs so weit entfernt, wie man oft annimmt, jedenfalls ist eine genußfähige Welt der günstigste Boden für ein frohes künstlerisches Schaffen. Wie eine solche wahrhaft künstlerische Volkskultur zur Renaissancezeit für die bildenden Künste bestand, so im 18. Jahrhundert für die Musik. »Die Musik war in Italien nicht nur eine allgemein verbreitete und beliebte Kunst, sondern sie galt als die Kunst überhaupt. Alle Stände teilten die unersättliche Lust, überall, in der Kirche, im Theater, im Hause und auf der Gasse Musik zu hören; allgemein waren der angeborene feine Sinn für künstlerische Ausführung, durch verständige Übung gebildet, und der leidenschaftliche Enthusiasmus für alles Vortreffliche. So hatte sich in Italieneine nationale Tradition in der Produktion wie im Urteil gebildet, ein musikalisches Klima, in welchem zu leben dem Künstler leicht wurde. Er sah dort einen bestimmten Weg zu der Gunst des Publikums

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