Mozart - Sein Leben und Schaffen
gewiesen, das ihn durch Aufmerksamkeit und Verständnis zu immer neuen Anstrengungen anspornte und für jedes Gelingen durch lebhaften Beifall belohnte« (Jahn, »Mozart«, 4. Aufl., I, S. 118).
Kirche und Oper waren die beiden Stätten, an denen die Kunst vorzüglich gepflegt wurde. Die eigentliche Hausmusik hat dagegen in Italien niemals eine hohe Bedeutung erlangt; auch das Musizieren in privaten Kreisen trug einen gesellschaftlichen und damit öffentlichen Charakter. Es liegt in der Natur einer solchen Kunst, daß das Formale das Übergewicht gewinnt. Darin liegt das, was den »Kenner« so entzückt, worüber am besten sich sprechen läßt; es ist das, was die Öffentlichkeit vor allem zu genießen vermag; es ist das, was die helle Heiterkeit des Genusses begünstigt. Für die Musik bedeutet diese einseitige Kultur der Form Virtuosentum. Ebenso ist leicht einzusehen, daß eine solche Kunst allmählich dem Formalismus und damit der Erstarrung verfallen muß, daß ihre Wurzeln nicht tief genug gehen, um ein langes Leben zu gewährleisten. Das alles wüßten wir jetzt aus der Geschichte der italienischen Musik, auch wenn wir es nicht aus ihrem Wesen erschließen könnten. Aber das darf uns nicht blind dagegen machen, daß es in der Geschichte der Musik am besten der italienischen Oper gelungen ist, in weitesten Kreisen, gewissermaßen in einem ganzen Volk eine musikalische Atmosphäre zu erzielen. In künstlerischer Hinsicht aber ist zu bedenken, daß an sich das Ideal der altitalienischen Gesangskunst einen Ewigkeitswert darstellt. Die vollkommene Beherrschung der menschlichen Stimme nach jeder Richtung – Bildung, Färbung, Gewandtheit des Tones – bleibt für alle Zeiten das Ideal des Gesangs. Denn erst durch diese vollkommene Beherrschung der Stimme als Instrument wird sie in den Stand gesetzt, ein vollkommenes Ausdruckswerkzeug zu sein. Wenn nun auch fast die ganze italienische Musik in steigendem Maße in die unkünstlerische Richtung verfiel, daß die Stimmbeherrschung aus einem Mittel zum Zweck zum Zwecke selbst erhoben wurde, so bliebdoch immer die Möglichkeit einer echt künstlerischen Verwendung dieser hohen Formenkunst, die vielleicht nur durch die italienische Einseitigkeit so herrlich hatte entwickelt werden können. Hatte schon Händel es verstanden, in dieser italienischen Formenschönheit dem Ausdruck gerecht zu werden, so bedeutet die Verwirklichung dieses Ideals das eigentlich Mozartische.
Die deutschen Musiker waren schon lange gewohnt, nach Italien zu gehen. Schon zur Zeit des musikalischen Mittelalters, das ja weit später zu uns herüberragt, als die Geschichte sonst das Mittelalter abzugrenzen pflegt, also in der Periode der kontrapunktischen Polyphonie, haben viele deutsche Musiker den Weg nach dem Süden gefunden. Wie ein Pflichtgang erschien dieser, als um 1600 der neue Musikstil der begleiteten Einstimmigkeit sich entwickelte. Joh. Seb. Bach ist vielleicht der einzige unter den Großen, der nicht nach Italien gekommen ist. Er hat sich aber daheim mit der italienischen Musik nicht nur genau bekanntgemacht, sondern auch im eigenen Schaffen mit ihr auseinandergesetzt. Händel und Gluck sind von den Italienern durch lange Jahre zu den Ihren gezählt worden, und wenn sie später aus deutscher seelischer Kraft den Weg zu einer neuen eigenen Kunst gesucht und gefunden haben, so haben sich andere bedeutende Deutsche, wie Hasse und Naumann, bis an ihr Lebensende mit Stolz dessen gefreut, daß man sie für italienische Musiker hielt. Nicht dadurch, daß man nachher andere Wege ging, war diese Übermacht der italienischen Musik zu überwinden, sondern dadurch, daß man ihren Weg bis ans Ende ging, daß man es dann aber vermochte, sie selbst so aus der eigenen Kraft zu bereichern, daß ein Neues entstand. Mozart hat diesen Sieg für die deutsche Kunst errungen, er, der wie kein zweiter Deutscher die italienische Musik sich zu eigen gemacht hat. –
Unter diesen Verhältnissen ist es leicht begreiflich, daß Vater Mozart so früh als möglich an eine Reise nach Italien dachte. Die idealen und praktischen Zwecke seiner Kunsterziehung konnten so am besten in Erfüllung gehen. Die ersteren, weil der Knabe auf diese Weise wirklich einen Blick in große künstlerische Verhältnisse bekam, und weil er die damals maßgebende Musikrichtung in ihrer Heimatam besten kennen lernen konnte; andererseits war der Erfolg in Italien das beste Mittel zu Ruhm und angesehener Stellung in der eigenen Heimat. Da in
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