Mozart - Sein Leben und Schaffen
Gefühl für jeglichen Bühneneffekt beweist sich an zahllosen Stellen. Alles in allem: die Oper durfte in der Tat rein durch ihre künstlerischen Eigenschaften, ganz abgesehen davon, daß sie das Werk eines Knaben war, innerhalb der damaligen Kunstverhältnisse den Anspruch erheben, auf die Bühne zu kommen. In Einzelheiten, soin der ersten Arie des einfältigen Polidoro, erhebt sie sich weit über den Durchschnitt. Die Schönheit dieser ruhig hinströmenden Melodie, die schöne Rundung der einzelnen Teile zum Ganzen ist mozartisch im späteren, hohen Sinne des Wortes.
Als eine Art Entschädigung für den Ausfall der öffentlichen Opernvorstellung konnte man die Gelegenheit ansehen, wenigstens in einem größeren privaten Kreise die dramatische Begabung des Knaben offenkundig zu machen. Im reichen Hause des Mozarts befreundeten Dr. Meßmer – Nissen scheint recht zu haben, daß er der berühmte Magnetiseur war – wurde ein kleines, von Wolfgang komponiertes Singspiel » Bastien und Bastienne « aufgeführt. Damit trat Wolfgang, der die Gattung des »Singspiels« auf die höchste Stufe heben sollte, mit dem Beginn desselben in nächste Berührung. Denn der ihm vorliegende Text war die Übersetzung einer von Madame Favart 1573 auf den im Jahre zuvor erschienenen »Dorfwahrsager« (» Le devin du village «) Rousseaus geschaffenen Parodie. Rousseau ist durch sein Werkchen der Begründer der neuen französischen Spieloper und der Anreger des deutschen Singspiels geworden. Die Bezeichnung »Parodie« für die Arbeit der Favart bedeutet keineswegs Verspottung. Im Grunde brachte erst diese Parodie die Erfüllung von Rousseaus Ruf nach Natur. Denn hier war das Rokokoschäferspiel des Dorfwahrsagers zu einem »naturalistischen« Bauernstücklein geworden, das auch für die Theatergeschichte von Bedeutung wurde, indem hier zum erstenmal naturgetreue Bauernkostüme auf die Bühne kamen. Die bereits 1764 erschienene deutsche Übersetzung des Stückes, die Mozart vorlag, hat die französische »Parodie« in arger Verrohung wiedergegeben.
Um so reizender und bei aller Lustigkeit feiner ist Mozarts Musik, so daß das Werkchen mit einer neuen Textbearbeitung Max Kalbecks 1891 mit großem Erfolg in den Spielplan der Wiener Hofoper aufgenommen wurde. Vor allem für engere Privatfestlichkeiten sollte man dieses Singspiel im Auge behalten. Der Zwölfjährige beschämt damit fast alles, was für derartige Zwecke dargeboten wird.
Wunderbar ist die erstaunliche Produktionskraft dieses Kindes,das in einer immerhin sehr kurzen Zeit unter keineswegs günstigen äußeren Anständen zwei so große Werke trotz aller Zerstreuungen, die das Leben brachte, zu schaffen imstande war. Dann zeugt es von einem außerordentlichen künstlerischen Feingefühl, einer geradezu als Instinkt wirkenden Sicherheit in allen künstlerischen Fragen, daß es diesem Knaben gelang, Opera buffa und deutsches Singspiel nach ihrer nationalen und künstlerischen Verschiedenheit auseinanderzuhalten. Denn wie die » finta semplice « den Charakter der italienischen Opera buffa wahrte, traf Wolfgang mit »Bastien und Bastienne« die Art des deutschen Singspiels. Dieses wunderbare Stilgefühl konnte Mozart noch ein drittes Mal erweisen, als er aufgefordert wurde, zur Feier der Grundsteinlegung der neuen Waisenhauskirche am Rennwege die Messe zu schreiben. Auch sie hält sich – sei es nun, wie Jahn annimmt, die in G-Dur (Köchel Nr. 49), oder die in C-Moll (Köchel 139), wie Deiters meint – ganz in den überkommenen Formen der missa brevis bzw. wenn Deiters recht hat der missa solemnis, und wenn auch die Behandlung der Chor- und Solostimmen eine gewisse Unsicherheit verrät, so ist doch nicht zu verkennen, daß auch hier bereits beim ersten Versuch der Knabe deutlich fühlte, worauf es ankam. Am 7. Dezember 1768 wurde diese Messe unter des Knaben eigener Leitung »aufgeführt und mit der größten Richtigkeit dirigiert«, wie das »Wiener Diarium« vom 10. Christmond 1768 rühmt.
So war denn doch der Wiener Aufenthalt wenigstens noch einigermaßen erfolgreich zu Ende gegangen. Der Salzburger Erzbischof, dem die Auszeichnung seiner Künstler in der Kaiserstadt doch schmeicheln mochte, tat nach deren Rückkehr sogar ein übriges; er ließ die komische Oper in Salzburg aufführen und ernannte den nun dreizehnjährigen Knaben zum Konzertmeister, allerdings ohne Gehalt.
Das Jahr 1769 wurde nun in aller Ruhe in Salzburg verbracht. Es ist sowohl für die hohe Auffassung
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