Mozart - Sein Leben und Schaffen
des Vaters, der keineswegs darauf ausging, die hervorstechenden Fähigkeiten seines Sohnes für die am meisten gewinnverheißende Opernkomposition einseitig auszubilden, wie auch für den Ernst des Sohnes bezeichnend,daß in diesem Jahre noch zwei Messen komponiert wurden. Wolfgang hatte in Wien wohl gefühlt, daß er dieses Stils noch nicht vollkommen Meister sei, und so gewann er sich im Ernst der Schularbeit die Herrschaft über ihn.
4. Italienische Reisen
Italien – das ist die deutsche Sehnsucht nach Schönheit. Es ist dem deutschen Volk schwerer als jedem anderen gemacht worden, den Ausspruch seines großen Dichters: »Ernst ist das Leben, heiter sei die Kunst« zur Wahrheit zu machen. Damit wir eine Kunst erhielten, die wirklich Leben bedeutete, mußte sie ernst werden. In den Erbärmlichkeiten des sozialen und der Kümmerlichkeit des politischen Lebens, wie es über uns bald nach der Reformation im Geleit endloser Kriege hereingebrochen war, wurde die Kunst das einzige Gebiet, in das die Größe des Erlebens sich flüchten konnte. Es hat lange gedauert, bis die Kunst dieser Aufgabe gewachsen war. Es waren zuerst Musiker, denen ihre Kunst zu diesem Mittel großen Erlebens wurde; aber weder Heinrich Schütz noch Joh. Seb. Bach wurden von ihrem Volke verstanden, und Händel mußte ins Ausland gehen. Sie wurden vergessen über jenen, denen die Kunst handwerkliche Geschicklichkeit war, später über jenen, denen sie ein »Vergnügen des Verstandes und Witzes« bedeutete. Danach ist unsere Kunst zur Problemkunst geworden, zum Mittel, jene Fragen des Menschenlebens zu ergründen, die sich selbst dem philosophischen Tiefblick verschließen. Selbst die Musik hat diesen Weg einschlagen müssen, und Beethoven verkündigte: »Musik ist höhere Offenbarung, als alle Weisheit und Philosophie.«
So ist unsere Kunst, wenigstens soweit sie auf Größe Anspruch machen kann, bis in unsere Tage hinein meistens ernster gewesen, als das Leben. Die einzige strahlende Ausnahme bildet Mozart. Bei ihm war das Leben, das äußere Erleben, meistens nicht nur ernst, sonderntraurig, aber seine Kunst ist voll himmlischer Heiterkeit. Himmlisch ist diese Heiterkeit, weil sie eine Verklärung des Irdischen in sich schließt, weil sie nicht auf Leichtsinn und genußsüchtiger Oberflächlichkeit, sondern auf der Tiefe eines frohen Empfindens, auf der Überwindungskraft einer freudigen Seele beruht.
Italien wurde für uns Deutsche zum Land der Schönheit. Es ist ja doch auch unsere Natur – in der Gestaltung des Landes, im scharfen Wechsel seiner Jahreszeiten, im wilden Gegensatz zwischen Hochgebirge und Ebene, in der harten Arbeit mit dem Boden, – die auch für unser künstlerisches Erleben das Gefühl der Gegensätzlichkeit in der Welt großgezogen hat. Die Überwindung dieser Gegensätze, das Hindurchdringen zu dem höheren Standpunkt, der die Auffassung des Ganzen als Einheit ermöglicht, erheischt Kampf und Arbeit. Aber es lebt in jedem Menschen die Sehnsucht nach klarer Schönheit und nach sicherem, heiterem Genuß. Italien wurde für uns Deutsche dieses Paradies.
Wir haben es uns selbst dazu gemacht, nicht nur in der Phantasie, in der es uns zur Sonne wurde, nach der wir im Heimweh der nordischen Nacht verlangen, sondern auch durch die Tat. In keinem Lande, in keiner Kunst können wir die segensreiche Wirkung germanischen Blutes so beobachten, wie bei Italien. Von früher vorchristlicher Zeit an waren aus der »Scheide der Völker«, wie Jordanis den Norden nannte, zu den dunklen Südeuropäern Stämme der Latiner, Etrusker, Ambrer blutauffrischend und blutstärkend gekommen. Wieder waren es dann in der Völkerwanderung Germanen, die, indem sie das altrömische Reich zermorschten, dem Lande jene Kräfte zuführten, die es ermöglichten, daß aus den Ruinen neues Leben erblühte. Durch das ganze Mittelalter dauerte diese Zufuhr deutscher Kräfte. Die Forschung erweist immer sicherer, daß deutsches Blut in den Adern jener Männer floß, die die großen Umwälzungen im geistigen und künstlerischen Leben Italiens herbeiführten, von Dante, dem Enkel des Goten Aliger, an bis zu den Meistern der Hochrenaissance. Daher wohl auch unser inniges Verhältnis zur ganzen italienischen Renaissancebewegung, eine Liebe, die wirsonst zu romanischem Wesen nicht finden. Der Sieg des Individualismus gegenüber der Regel, der den Kern der Renaissancebewegung ausmacht, ist ja auch urgermanisches Streben.
Es ist, als ob wir in Italien die Schönheit
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