Mozart - Sein Leben und Schaffen
lieben Knaben besonders zugetan. Wie sehr Wolfgang bemüht war, seine musikalischen Kenntnisse zu bereichern, wie es aber auch andererseits der Vater einzurichten verstand, daß er auf der Reise stets Zeit und Gelegenheit zu ruhiger Arbeit hatte, beweist die Art, wie er sich in Florenz aus den streng kontrapunktischen Arbeiten des Marquis de Ligniville eine ganze Reihe von Sätzen abschrieb, wie er sich außerdem in der schweren Kunst des Kanons übte. Der Padre Martini hatte ihm in Bologna die vollendeten Teile seiner gelehrten Musikgeschichte geschenkt, und der Knabe hat sich sofort darin versucht, die Kunststücke, zu denen Beispiele dort mitgeteilt waren, selber nachzumachen. Nach kurzem Aufenthalt in Florenz, wo Wolfgang mit dem gleichaltrigen, aber früh der Kunst wieder entrissenen Engländer Thomas Linley innige Freundschaft schloß, langten sie am Mittwoch in der Karwoche in Rom an. Sie hatten gerade noch Zeit, in der Sixtinischen Kapelle das »Miserere« von Allegri zu hören, wobei Wolfgang die oft besprochene glänzende Probe seines Gehörs und seines Gedächtnisses ablegte. Domenico Allegris »Miserere« wurde immer am Mittwoch und Freitag der Karwoche gesungen. Es wechselt in vier- und fünfstimmigen Chorsätzen ab und wird von einem neunstimmigen Chor beschlossen. Die Aufführung galt als eine Musterleistung der Kapelle, deren Mitglied Allegri von 1629 ab gewesen war. »Du weißt,« schreibt Leopold seiner Frau, »daß das hiesige berühmte ›Miserere‹ so hoch geachtet ist, daß den Musicis der Kapelle unter der Exkommunikation verboten ist, eine Stimme davon aus der Kapelle wegzutragen, zu kopieren oder jemanden zu geben. Allein wir haben es schon. Wolfgang hat es schon aufgeschrieben, und wir würden es in diesem Briefe nach Salzburg geschickt haben, wenn nicht unsereGegenwart, es zu machen (d. h. zur Aufführung), notwendig wäre. Die Art der Produktion muß mehr dabei tun als die Komposition selbst. Wir wollen es auch nicht in andere Hände lassen, dieses Geheimnis ut non incurramus mediate vel immediate in censuram ecclesiae .« Bei der Wiederholung am Freitag ergänzte Wolfgang in das im Hut verborgene Manuskript die wenigen Stellen, die ihm nicht treu im Gedächtnis geblieben waren. Des Knaben Unternehmen war aber doch ruchbar geworden, und bei einer in größerem musikalischem Kreise vorgenommenen Vergleichung ergab sich die genaue Übereinstimmung, was natürlich ein gewaltiges Staunen hervorrief. Die Leistung Mozarts wird dadurch nicht weniger bewundernswert, als natürlich die Geheimhaltung der Komposition keineswegs eine so ängstliche war, vielmehr ziemlich feststeht, daß der Papst selbst verschiedene Abschriften an befreundete Höfe abgegeben hat. Dagegen hat der alte Mozart richtig erkannt, daß die wunderbare Wirkung der Komposition »mehr auf der Produktion« beruhte. Es nimmt keineswegs eine Sonderstellung innerhalb der großen kontrapunktischen Literatur ein, und es haben seither schon viele, die das »Miserere« an anderer Stelle hörten, dieselbe Enttäuschung erlebt wie der alte Metastasio, der in seinen Briefen erzählt, daß eine Aufführung des »Miserere« von guten Sängern in Wien ihn völlig kalt gelassen habe, während er dadurch in der Sixtinischen Kapelle in Ekstase versetzt worden war. Wir erleben eben bei aller Kunst die Bedeutung der Einheit des Stils, zu der auch die gesamte Umgebung, in der ein Kunstwerk vorgeführt wird, und die Einstimmung der Zuhörer gehört.
Nach den kirchlichen Festen drängten sich für Mozarts die Festlichkeiten in den vornehmen Häusern. Die Bewunderung für die Leistungen des Knaben wuchs, je weiter sie nach Süden kamen. »Aber«, konnte Vater Leopold hinzufügen, »der Wolfgang bleibt mit seiner Wissenschaft auch nicht stehen, sondern wächst von Tage zu Tage, daß die größten Meister und Kenner nicht Worte genug finden können, ihre Bewunderung an den Tag zu legen.« Am 8. Mai brachen sie von Rom auf nach Neapel, wo sie bis Mitte Juni blieben. DerHof, an den sie von Wien aus warm empfohlen waren, hegte zwar kein größeres Interesse für Musik, bereitete aber den Fremden eine liebenswürdige Aufnahme, worauf dann die vornehme Gesellschaft in Gunstbezeugungen wetteiferte. Das öffentliche Konzert am 28. Mai war glänzend besucht und brachte großen Gewinn. Aber die Gewandtheit von Wolfgangs linker Hand war man so erstaunt, das man auf den Gedanken kam, er habe einen Zauber im Fingerring, so daß er ihn abziehen mußte.
Die
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