Mozart - Sein Leben und Schaffen
rechnen. Immerhin reichte die Zeit aus, daß sich Mozart zum erstenmal verlieben konnte. Es war natürlich eine harmlose, kindische Spielerei, wie die vielfachen geheimnisvollen Andeutungen in den Briefen an die Schwester von der nächsten Reise bezeugen.
In Salzburg hatte Mozart als Konzertmeister, um seiner amtlichen Stellung zu genügen – freilich war diese ohne Gehalt –, nur einige Kompositionen für die Kirche und eine Sinfonie geschaffen. Dann ging es am 13. August wieder nach Mailand, wo die Vermählung stattfinden sollte. Der Termin war auf den 15. Oktober festgelegt. Da das Textbuch zur Serenata erst am Anfang September in die Hände Mozarts gelangte, begreifen wir, daß Wolfgang in den Briefen nach Hause sich darüber beklagt, daß ihm die Finger vom Schreiben weh tun. Aber »ober unser ist ein Violinist,« heißt's in dem Briefe vom 24. August, »unter unser auch einer, neben unser ein Singmeister, der Lektionen gibt, in dem letzten Zimmer gegen unser ist ein Oboist, das ist lustig zum Komponieren.« Diese Bemerkung über die musikalische Nachbarschaft, die manchen wohl zur Verzweiflung gebracht haben würde, ist keineswegs ironisch gemeint; sie zeugt nur wieder dafür, daß Mozarts eigentliches Lebenselement, die Luft, in der er am leichtesten atmete, Musik war. Da das Verhältnis zu den Sängern das denkbar beste war, ging die Arbeit glatt vonstatten und wurde rechtzeitig fertig. Bei dieser Gelegenheit stand Mozart als Rivale neben Hasse, dem berühmtesten damaligen Vertreter der italienischen Oper, der die Festoper (Metastasios »Ruggiero«)komponierte, und neidlos erkannte der Greis an: »Dieser Jüngling wird uns alle vergessen machen.« Der Beifall, den Wolfgangs Serenata »Ascanio in AIba « bei der Erstaufführung am 17. fand, bestätigte Hasses Voraussage, und der Vater konnte nach Hause berichten: »Mir ist leid, die Serenata hat die Opera von Hasse so niedergeschlagen, daß ich es nicht beschreiben kann.« Zum Erfolg kam diesmal ein reiches Geschenk.
Es ist übrigens recht lehrreich, zu erfahren, wie es um dieses kaiserliche Wohlwollen, für das Wolfgang sich durchs ganze Leben zu Dank verpflichtet fühlte, in Wirklichkeit bestellt war. Erzherzog Ferdinand war auf den Gedanken gekommen, den jungen Komponisten in seine Dienste zu nehmen, wodurch er die höchsten Wünsche des Vaters Mozart erfüllt hätte. Auf die Anfrage bei der Kaiserin Maria Theresia gab diese ihrem Sohne in einem französischen Briefe folgenden Bescheid: »Sie bitten von mir, daß Sie den jungen Salzburger in Ihren Dienst nehmen dürfen. Ich weiß nicht als was, da ich nicht glaube, daß Sie einen Komponisten oder unnütze Leute nötig haben. Allerdings, wenn Ihnen das dennoch Vergnügen macht, will ich kein Hindernis sein. Was ich sage, ist, daß Sie sich nicht mit unnützen Leuten beschweren und niemals Titel an solche Leute, als ständen sie in Ihren Diensten. Das macht den Dienst verächtlich, wenn diese Leute dann wie Bettler in der Welt herumreisen; übrigens hat er eine große Familie.« (12. Dezember 1771. Arneth, Briefe der Kaiserin Maria Theresia an ihre Kinder und Freunde I, S. 92.) So wissen wir doch, warum der junge Mozart überall umsonst nach einem Dienste suchte. Es war eben viel leichter, dem als Künstler gefeierten Genie einige freundliche Worte ins Gesicht zu sagen, als ihm in Taten wahrhaft wohlwollend sich zu bezeigen.
Als die beiden Mozarts Mitte Dezember wieder in Salzburg ankamen, lag der Erzbischof Sigismund im Sterben († 16. Dez. 1771). Zu seinem Nachfolger wurde 1772 Hieronymus Graf von Colloredo , der bisherige Bischof von Gurk, gewählt. An den Festlichkeiten, die ihm natürlich trotz der allgemeinen Abneigung, der seine Wahl bei den Salzburgern begegnete, in großer Zahl dargebotenwurden, wirkte Wolfgang in hervorragender Weise mit durch die Komposition der Begrüßungsoper »Il sogno di Scipione« , einer allerdings für eine ganz andere Gelegenheit geschaffenen Huldigungsoper, die im Anfang Mai 1772 aufgeführt wurde. Man kann an der Musik merken, daß Mozarts die Neuernennung nicht sympathischer begrüßten als alle Mitbürger, denn sie ist wohl die äußerlichste, die Wolfgang jemals geschaffen hat. Er hat damit den Mann begrüßt, der am schwersten auf seinem Leben gelastet hat, den einzigen, den dieser liebevolle Mensch gehaßt hat. Der Groll gegen die Ernennung des in seinem ganzen Wesen unsympathischen, wenn auch klugen Mannes mochte bei den Mozarts noch schroffer sein, weil
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