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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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innerlich etwas, was er ausdrücken muß. Für dieses innere Erlebnis gibt es eine Form des Ausdrucks, die die ideale ist. Wenn er viermal ansetzt für die Leonorenouvertüre oder ebenso oft für das kleine Lied »Nur wer die Sehnsucht kennt«, so beweist das eben, daß er die endgültige Form noch nicht gefunden hat, genau so wie auf anderem Gebiete ein Böcklin denselben Vorwurf verschiedene Male gestaltete, wobei er aber ein einmal geschaffenes Bild nie kopierte, sondern mit jeder Behandlung das ursprünglich Gewollte schärfer auszudrücken strebte. Je weiter Mozart voranschreitet, desto mehr entfernt er sich von der ursprünglichen Haltung, desto mehr wird er Ausdrucksmusiker, der nicht für von außen an ihn herantretendeVerhältnisse schafft, sondern aus diesen höchstens Anregungen gewinnt, in Wirklichkeit aber seinem inneren Empfinden die Mitteilungsform gibt. Es liegt an der Wunderbarkeit der Natur, an der Sonnenkindschaft Mozarts, daß er später wie früher ein so herrlicher Künstler ist, bei dem Form und Ausdruck niemals in Widerspruch stehen, trotzdem er sich von außen her leiten läßt, trotzdem er für bestimmte Verhältnisse, ja für ein ganz bestimmtes Klavier schafft und diesen Instrumenten Gelegenheit geben will, sich zu zeigen. Aber diese Wundernatur Mozarts habe ich deshalb am Eingang des Buches gesprochen, weil sie ihm die Sonderstellung einräumt, weil sie die Geltung der allgemeinen Kulturgesetze für seine Kunst gegenüber der der anderen verschiebt. Wir haben bei Mozart das einzig dastehende Beispiel, daß einem Künstler alle Formengestaltungen der Musik so natürlich geläufig, so durchaus persönliches Eigentum werden, daß er jede beliebige Form mit einem ihr entsprechenden Leben erfüllen kann und trotzdem niemals dem eigenen Innenleben deshalb Gewalt anzutun braucht.
    In der äußeren Lebensanschauung aber, in der Art, wie sich dieses äußere Leben mit der Kunst auseinandersetzt, zeigt sich für Mozart, daß er einer anderen Zeit angehört als Beethoven, als die ganze Periode nach Beethoven. Man bedenke z. B., daß Richard Wagner nach »Tannhäuser« zunächst keines seiner Musikdramen zu hören bekam, daß er den »Tristan«, den »Nibelungenring«, die »Meistersinger« schuf, ohne den Gedanken hegen zu können, jemals eins dieser Werke lebendig auf der Bühne vor sich erscheinen zu sehen, ja sogar ohne die Hoffnung, diese Werke auch nur im orchestralen Klange als Konzertaufführung sich jemals ganz verlebendigen zu können. In dem epilogischen Bericht, den Wagner der Veröffentlichung seiner »Nibelungen«-Dichtung beigab, steht der Satz: »Wenn ich so eine stumme Partitur nach der anderen vor mich hinlegte, um sie selbst nicht wieder aufzuschlagen, kam ich wohl zuzeiten mir wie ein Nachtwandler vor, der von seinem Tun kein Bewußtsein hatte.« Er hat aber die Werke dennoch geschaffen. Aber noch mehr. Wenn Wagner sich den Opernverhältnissen seiner Zeit gefügt hätte, wenn er den Erfolgseines »Rienzi« in der Lieferung ähnlicher Werke ausgeschlachtet hätte, hätte er sich mit einem Schlage aus dem ganzen Jammer seiner Lage befreit und sich damit obendrein die Mittel verschafft, nun nach Herzenslust seinen inneren künstlerischen Neigungen folgen zu können. Wagner hat das alles nicht gekonnt. Dagegen nehme man Mozart. Von 1777 ab, nachdem er sich vom Dienste seines Erzbischofs freigemacht hatte, schreit er nach der Komposition der Oper, alles treibt ihn dazu, seine ganze Natur verlangt danach. Dennoch schreibt er keine. Er muß dazu einen Auftrag erhalten. Man muß noch bedenken, daß dieser Auftrag meistens so weit ging, daß dabei auch das Buch überreicht wurde, um ganz zu ermessen, wie grundverschieden das Verhältnis dieser beiden Künstler zur Kunst ist. Trotzdem wäre nichts lächerlicher, als nun zu behaupten, Mozarts Verhältnis zu seiner Kunst sei äußerlicher, als das Wagners. Es ist eben nur ein ganz anderes. Innerlich und äußerlich ein anderes. Wir haben das gerade in bezug auf die Oper noch kurz darzulegen.
    Für Richard Wagner war das Musikdrama die notwendige Ausdrucksform. Kraft seiner dramatischen Natur sah er Abbilder der Welt, die er dieser Welt vor Augen stellen wollte. Weil er eine musikalische Natur war, bewegten sich die Konflikte und Probleme der von ihm erschauten Weltbilder im Innenleben der vorgeführten Persönlichkeiten. So vermochten diese Dichtungen nicht in Worten allein mitgeteilt zu werden, sondern bedurften zur Aussprache auch jener

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