Mozart - Sein Leben und Schaffen
öffentlichen Kunstfaktoren abhängig, wie gerade der Opernkomponist. Und da erhebt sich denn doch die Frage, ob es nicht eine geradezu wahnwitzige Verschwendung künstlerischer Kräfte bedeutet, wenn man nicht nach einem Auswege trachtet, diese Kräfte in kunstpolitischer Hinsicht fruchtbar zu machen. Eine Natur wie Wagner scheidet hier von vornherein aus; der Dichterkomponist, für den das Musikdrama als Ganzes die gebotene Form ist, kann sich freilich in der Wahl des Stoffes durch äußere Verhältnisse nicht leiten lassen; der Musiker aber, dem die Oper eine Gelegenheit ist, in besonders reicher Fülle Musik darzubieten, würde dadurch, daß ihm von Bühnen ein Textbuch zur Vertonung überreicht würde, in keine unkünstlerischereLage versetzt werden, als sie heute vorhanden ist, wo doch auch der Komponist einen ihm dargebotenen Text übernimmt. Denn daß er sich nachher mit dem Dichter ebensogut aussprechen und zu möglichst gemeinsamer Tätigkeit vereinen könnte wie heute, beweist die frühere Zeit, als dieses Verhalten üblich war. Man braucht zum Beispiel nur in Mozarts Briefen nachzulesen, wie er sich mit dem Textdichter des »Idomeneus« bis auf einzelne Worte auseinandersetzt. Also das frühere Verhältnis, daß Opern nur im Auftrag komponiert wurden, war in weitaus den meisten Fällen nicht unkünstlerischer, als das heutige; vom Standpunkt der Kunstpolitik aus war es jedenfalls das geeignetste. Wenn ich auch einer genauen Wiedereinführung des früheren Zustandes keineswegs das Wort reden will, so meine ich doch, daß eine weitherzige und im Geiste freie Erneuerung eines derartigen Verhältnisses geboten wäre. Jedenfalls – und darauf kommt es in unserem Zusammenhange hauptsächlich an – bedeutet dieses Verhältnis für den reinen Musiker niemals jenen künstlerischen Zwang, den etwa ein Wagner und unter seinem Einfluß heute die Allgemeinheit darin zu erblicken gewohnt ist.
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Ich mußte den Leser auf diesem weiten llmwege durch die Entwicklungsgeschichte der Musik nach Salzburg zurückführen, um zu zeigen, daß für Mozart Enge und Gefängnis sein mußte, was ein Künstler der Neuzeit vielleicht als Ruheort für künstlerisches Schaffen sich ersehnen möchte. Der Künstler Mozart brauchte zur Entwicklung die Welt; er brauchte Verhältnisse, in denen große Musik aufgeführt wurde, um große Werke hervorzubringen, weil er überhaupt erst aus den Verhältnissen heraus und ihnen entsprechend Musik schuf. Es hätte also gar keiner anderen Gründe gebraucht, Mozart Salzburg zu verleiden. Die rein künstlerischen genügten, daß er Salzburg in demselben Augenblicke als Fessel empfand, wo es ihm unmöglich gemacht war, für andere größere Verhältnisse Musik zu schaffen. Die Mozarts haben ja deshalb auch gar nichts anderes vom Erzbischof immer wieder verlangt als Urlaub, um zeitweilig diese anderen Verhältnissewieder aufzusuchen. Denn auch das ist eine merkwürdige Erscheinung, daß damals die Welt nicht den Schöpfer aufsuchte, sondern daß der Schöpfer zu dieser Welt hingehen mußte. Man stelle sich vor, wie heute, wenn Gerhart Hauptmann oder ein anderer erfolgreicher Dramatiker sich in irgend einem Bergwinkel vergraben würde, die Theaterdirektoren den Weg zu ihm finden würden, um ihn zu fragen, ob er denn immer noch nicht ein Stück fertig habe, das sie wieder vorführen könnten. Jeder Künstler, der heute einen Erfolg hat, wird umworben von den kapitalistischen Vermittlern der betreffenden Kunst. Mozart hatte diesen riesigen Erfolg gehabt, dennoch kam von nirgendwoher jemand nach Salzburg, um dem dort festsitzenden Musiker zu sagen: Wir haben mit deiner letzten Oper einen schönen Erfolg gehabt, schaffe uns wieder eine für die nächste Saison. Die und die Künstler singen, sie werden zu dir kommen, um ihre Partie bei dir einzustudieren. – Heute würde sich jeder Opernsänger beglückt fühlen, wenn er derartig vom Komponisten in sein Werk eingeführt werden würde. Das zeigt uns doch, wie gering damals der schöpferische Künstler gegenüber dem großen reproduzierenden eingeschätzt wurde, denn um diesen focht man die schwersten Kämpfe aus, um diesen machte man – das Beispiel Händels beweist es – die größten und mühseligsten Reisen. Im Vergleich zu ihnen kann auch bei den erfolgreichsten Komponisten nicht von einem Umworbensein geredet werden.
Zu diesem rein künstlerischen Grunde kamen aber noch andere, die Mozart das Fortkommen von Salzburg als zunächst zu erstrebendes
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