Mozart - Sein Leben und Schaffen
angenehmer ihnen die Wahl des Grafen Zeil gewesen wäre. Vor allem aber war es sicher die überragende Stellung, die Mozarts einnahmen, die den Erzbischof erzürnte. In seinem herrischen Sinn betrachtete er seine Untergebenen unterschiedslos als Lakaien, die dazu da waren, seine eigene Hofhaltung und seine Person zu verherrlichen, nicht aber sich selbst in glänzendes Licht zu setzen. Die ganze Familie Mozart hatte sich nun durch ihren reinen und tüchtigen Lebenswandel und ihr bedeutendes Können eine angesehene Stellung in der Stadt verschafft, die ihnen um so weniger geraubt werden konnte, als sieauf innerer Tüchtigkeit beruhte. Vater Mozart stach durch seinen Pflichteifer im Dienste, durch seine tüchtige Erfüllung aller Aufgaben so günstig von allen anderen Fachgenossen ab, daß ihm auch von dieser Seite nicht beizukommen war. Je mehr er aber sich der Pflichterfüllung bewußt war, um so weniger glaubte er zu kriecherischem Verhalten und dienerhaftem Benehmen Veranlassung zu haben. Nun kam dieses Wundergenie des Knaben dazu, das von der ganzen Welt angestaunt worden war.
Sicherlich war überdies noch ein persönliches Element dabei vorhanden. Es steht fest, daß sich der Erzbischof durch große, männlich stolze Erscheinungen imponieren ließ; er selbst war klein und schwächlich und empfand das offenbar bitter. In der Hinsicht brauchte ihm ja nun der kleine Wolfgang gewiß keinen Neid einzuflößen; er ist ja auch, im Gegensatz zu seinen Eltern, zeitlebens körperlich unscheinbar geblieben. Dennoch flogen ihm alle Herzen zu, dennoch bildete er in jedem Kreise, in den er kam, den natürlichen Mittelpunkt. Es ist ganz sicher, daß gerade das den grimmigen Neid des überall verhaßten oder doch scheu behandelten Erzbischofs erregte. Man möchte ihm sein Verhalten Mozarts gegenüber noch eher verzeihen, wenn er nicht ganz sicher die geniale Begabung des Knaben vollauf erkannt hätte. Es war also ein ganz bewußtes Niederhalten, eine Behinderung der Entfaltung seines Talentes, wenn der Erzbischof dem jungen Künstler jeglichen Weg zum Bekanntwerden und zu größerer Tätigkeit verlegte. Ebenso machte er selber grundsätzlich alle Leistungen Mozarts als Virtuose wie als Komponist herunter, verfehlte aber nie, seine Dienste in Anspruch zu nehmen, sobald irgend eine Gelegenheit sich darbot. Er hoffte offenbar, auf diese Weise den Mozarts alle großen Pläne zunichte zu machen und eine geniale Kraft für ein Spottgeld in seinem Dienst zu behalten. Hätte er nicht diese ganz kalte rechnerische Überzeugung vom Werte Wolfgangs gehabt, er würde ihn später niemals wieder angestellt haben.
Bei solchen Zuständen war das Leben in Salzburg eine fortlaufende Kette von Kränkung und Zurücksetzung. Wir Heutigenkönnen uns überhaupt gar nicht mehr vorstellen, wie die Mozarts so lange unter diesen Verhältnissen aushalten konnten. Wir müssen auch hin uns wieder in die Zeit zurückversetzen. Im übrigen getraute sich der Vater die einzige sichere Einnahme, wenn sie auch noch so kärglich war, nicht preiszugeben, um dann eine ganze Familie auf das, wie er ja aus Erfahrung wußte, unsichere Los eines Virtuosen und Komponisten zu setzen.
Es ist leicht erklärlich, daß auch die günstigsten übrigen gesellschaftlichen Zustände kaum imstande gewesen wären, Mozarts für dieses unerquickliche Dienstverhältnis zu entschädigen. Aber solche angenehmen Gegenwerte waren überhaupt kaum vorhanden. Am unerquicklichsten war der Kreis der Berufsgenossen. Unter diesen ragten durch musikalische Tüchtigkeit der Domkapellmeister Michael Haydn, des größeren Joseph jüngerer Bruder, und der Organist Adlgasser hervor. Beide angesehene Vertreter ihres Faches, aber gesellschaftlich doch recht heruntergekommen und verlottert. Die tüchtigen, nach einem gediegenen äußeren Lebensgehaben strebenden, durch ihre weiten Reisen und den Verkehr in vornehmsten Kreisen empfindlich gewordenen Mozarts litten besonders unter diesen äußeren Mängeln der Kollegenschaft. Mit offener Spitze gegen Salzburg rühmt der Vater Mozart 1763 von der Mannheimer Kapelle, es seien »lauter junge Leute durchaus von guter Lebensart, weder Säufer noch Spieler noch liederliche Lumpen, so daß sowohl ihre Konduite als ihre Produktionen hochzuschätzen sind«. Und 15 Jahre später schreibt Wolfgang: »Das ist auch eine von den Hauptursachen, was mir Salzburg verhaßt Macht – die grobe, lumpenhafte und liederliche Hofmusique – es kann ja ein honetter Mann, der
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