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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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noch so vollkommen, kann in einem alt gewordenen musikalischen Stil das Empfinden eines heutigen Menschen wahrhaftig ausgesprochen werden. Hier liegt das große Verhängnis.
    Ich gebe von vornherein zu, daß die katholische Kirche viele Gründe dafür ins Feld führen könnte, wenn sie nur alte Musik in ihren Mauern duldete. Will sie aber das lebendige Schaffen der Menschheit für sich gewinnen, so muß sie dem Musiker von heute zugestehen, daß er in seiner Tonsprache redet. Die Musik von heute ist als Ausdrucksmusik entstanden. In bewußtem Gegensatze zu der wesentlich von formalen Gesetzen beherrschten, in ihrer Ausdrucksfähigkeit durch diese Formen behinderten alten Musik ist die neuere Musik als Aussprache seelischer Empfindungen auf den Schild gehoben worden. Zugegeben, daß sie vielfach einem ebenso äußerlichen Formalismus verfiel wie die ältere. Aber keiner, der diese neuere Musik kennt, kann leugnen, daß in ihr alle Empfindungen der Menschenbrust ihren Ausdruck gefunden haben, also auch die religiösen, und damit doch unter Umständen auch die kirchlichen.
    Vielleicht haben wir hier die tiefste Ursache des Problems berührt. Es ist kein Zufall, daß das Problem der katholischen Kirchenmusik erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts in den Vordergrund trat, und zwar in Deutschland. Es konnte eigentlich überhaupt nur dadurch entstehen, daß die Begriffe religiös und kirchlich sich nicht mehr deckten. Solange für den Menschen die Empfindungen des Religiösen in einer der verschiedenen Kirchen volle Befriedigung fanden, so lange mußte auch alle übrige Umwandlung menschlicher Fühlweise in diesen Kirchen Platz haben; vor allen Dingen auch auf dem Gebiete der Kunst. Denn alle hohe Kunst geht auf dasselbe menschliche Bedürfen zurück, das den Urgrund aller Religion bildet: Erhebung über die materielle Welt. Die Wege aber, auf denen Kunstund Religion diese Erhebung suchen, können grundverschiedene sein. Sie sind es mit Notwendigkeit, wenn die Religion die Erhebung über die Materie durch Überwindung der Welt oder Abkehr von ihr anstrebt. Denn die Kunst kann ihr Ziel nur durch Verklärung, Verschönerung, Erhöhung dieser Welt erreichen; das trifft auch dann zu, wenn die Kunst ganz Ausdruck eines Seelischen ist. Denn die Ausdrucksmittel der Kunst liegen in der sinnlichen Welt. Gerade weil die Kunst ihre Wurzeln in einen so tiefen Urgrund des rein menschlichen Wesens herabsenkt wie die Religion, kann sie nicht – wie man es oft gesagt hat – ihre beste Nährquelle in der Religion finden. Sie kann nur dieselbe Nährquelle haben. In diesem glücklichen Falle befand sich am längsten die Musik. So glänzend die Entfaltung der kirchlichen Baukunst im Mittelalter war, so wunderherrliche Früchte das Bündnis der Malerei mit der Kirche etwa in der Renaissance gezeitigt hat; es liegt doch hier ein Zwiespalt zwischen der der Erde abgekehrten, ja letzterdings weltvernichtenden Religionsauffassung des Mittelalters und dieser Verherrlichung des menschlichen Körpers, in der die Renaissancemalerei durch alle Heiligengewänder hindurch ihr Ziel sieht, oder der wunderbaren Verklärung und Verschönerung der Materie, deren letzte Schweren in der Gotik überwunden sind. Die Musik aber hat nicht umsonst ihre Blütezeit mit dem Beginn des Christentums begonnen. Sie konnte das, weil sie an den andern Künsten gemessen geradezu immateriell ist. Darum zeigt sich dieser Zwiespalt hier nicht, denn alle sinnliche Tonschönheit der Musik kann, wenn diese Musik die Sprache der Seele ist, als Schönheit des seelischen Lebens gedeutet werden.
    Nun ist Religion als Abkehr von der Welt nur die eine, jedenfalls einseitige Auffassung des Christentums. Die katholische Kirche hat sich niemals ganz dieser Auffassung verschrieben, auch dann nicht, wenn sie das Mönchstum als den Gipfel religiösen Lebens hinstellte. Darum fand sie auch immer im Gegensatz zu andern Kirchen ein Verhältnis zu allen Künsten. Alle Kirchen bedeuten Materialisierungen des religiösen Lebens; denn sie sind die Regelung und Sichtbarmachung eines völlig geistigen Lebens. Darum stehen sie immervor der Frage, wie sie die Materie in ihrem Dasein behandeln sollen. Man hätte die im tiefsten Menschentum wurzelnde Sehnsucht nach Schönheit ertöten müssen, wenn sich nicht der Gedankengang hätte einstellen sollen, daß durch möglichste Verschönerung dieser zum kirchlichen Leben notwendigen Materie eine Ehrung Gottes erreicht werde. So versuchte die Kirche die Kunst

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